Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
daß das Kabel aus New York kam, aufgegeben von Larry Grindel:
    ›V ERMUTUNG ERHÄRTET . A NKOMME HEUTE ABEND IN B. G RU ß L ARRY .‹
    Der Mann, den sie in New York auf Garellas Unfall angesetzt hatte, war fündig geworden und seine Information offensichtlich so brisant, daß er sie, um nicht abgehört zu werden, persönlich überbringen mußte.
    In Pullach war es jetzt früher Morgen; in New York, das einen Tag zurücklag, eine Stunde vor Mitternacht. Die Fernost-Abteilung im Camp blieb rund um die Uhr besetzt. In Japan begann ja der Tag bereits zwölf Stunden früher. Daß auch der Einsatzleiter für das Operationsgebiet Südostasien eine Durchnacht hinter sich hatte, war einer der Gründe, daß in Pullach zur Zeit Unruhe grassierte. Seit der Besprechung über die Vorgänge in Thailand herrschte im Camp eine Art Nervenkrieg. Das konnte dem Regierungsdirektor Pallmann nicht verborgen bleiben und war vielleicht sogar von ihm beabsichtigt.
    Er hatte in das CIA-Hauptquartier gemeldet, der Einstieg in die Operation ›Flashlight‹ sei planmäßig verlaufen.
    Thomas E. Gregory, der Vizepräsident, allgemein ›der große Gregory‹ genannt, hatte den Empfang bestätigt und mit dem vereinbarten Codewort geantwortet, dem Pallmann entnahm, daß die Agency nunmehr ›flankierende Maßnahmen‹ auslösen würde. Das Untergrundunternehmen, das die Laus im eigenen Pelz knacken sollte, beruhte in erster Linie auf dem Zusammenspiel der beiden Spitzenleute in Langley und Pullach.
    Das Telefon schlug an; es war Schlumpf mit den letzten Meldungen aus Bangkok.
    »Kommen Sie zu mir!« erwiderte Pallmann.
    Der Oberregierungsrat betrat das Dienstzimmer so rasch, als hätte er vor der Tür gestanden. Noch im Laufen sagte er: »Die Agency fand das Mädchen, das diesen Caine in die Falle lockte.«
    Cicero nickte und forderte Schlumpf mit einer Geste auf, sich zu setzen.
    »Eine Eurasierin namens Joy, die für eine Freundin bei der Todesparty einsprang«, fuhr der Supertüchtige fort. »Ein Gelegenheits-Callgirl, sehr hübsch und …«
    »… und sehr schweigsam«, erwiderte der künftige Vizepräsident. »Die Vernehmung also völlig unergiebig. Es wird nicht mehr dabei herauskommen als ein mittelprächtiger Pornoroman.«
    »Dann wissen Sie offensichtlich mehr als ich, Herr Regierungsdirektor«, versetzte der Beflissene pikiert.
    »Erfahrungswert«, erwiderte Cicero. »Ich weiß gar nichts, aber ich behalte immer recht.« Er lächelte nur mit der linken Seite des Gesichts. »Es ist mein Schicksal.«
    Die Heinzelmännchen des Sicherheitsbeauftragten arbeiteten längst vor Ort und bedauerten dabei, daß die wilden ORG-Jahre längst vorbei waren, die den meisten Fahndern nur noch vom Hörensagen bekannt waren. Aus Sicherheitsgründen hatten die Pullacher damals mit ihren Frauen und Kindern im Camp wie in einem Ghetto gelebt: gleiche Wohnung, gleiches Essen, gleicher Kindergarten, gleiche Schule, gleicher Arzt, dieselbe Putzfrau, gleiche Vergangenheit, das nämliche Freizeitvergnügen und sogar der gleiche Geruch: ›Old Spice‹.
    Hier brauchte man nicht zu ermitteln; hier wußte man alles: wie den Kindern die geklauten Äpfel bekommen waren, ob die Frau des Kollegen unpäßlich war, daß die Schwiegermutter eines Abteilungsleiters als Kleptomanin in einem Warenhaus gestellt worden war und die Tochter eines Spezialisten von der ›Auswertung‹ gelegentlich mit einem farbigen US-Captain ausging. Die Intimsphäre war Allgemeingut, wiewohl sich die Kollegen auf Befehl Gehlens mit falschem Namen anreden mußten, auch wenn sie den richtigen seit Jahren kannten.
    Der General war eine autoritäre Persönlichkeit gewesen; er mochte weder Widersprüche noch Einwände. Mit Schnurrbart, tief in die Stirn gezogenem Schlapphut, getönter Brille und falschem Paß auf den Namen Dr. Schneider tauchte Gehlen zur Berichterstattung in Bonn auf und beeindruckte den Bundeskanzler durch sein subversives Imponiergehabe, eine Institution verkörpernd, an deren Einmaligkeit niemand zweifeln durfte.
    Wie man im Camp über ihn dachte, wie man fühlte, handelte und hinter seinem Rücken redete, erfuhr der Hausherr von den sechzehn Verwandten, die er in seinen Apparat eingebaut und dadurch versorgt hatte. Was die Öffentlichkeit über Pullach wissen und wie sie die Untergrundarbeit vom Fließband einschätzen sollte, ließ der General durch ausgesuchte Hofberichterstatter verbreiten. Sie strickten unentwegt – und mitunter durchaus zu Recht – an der Legende,

Weitere Kostenlose Bücher