Die Stadt der Engel
gefürchteten Eifersuchtsausbrüche und schüttete dem Stararchitekten Ferry Fenrich, ihrem ständigen Begleiter, ein Glas Schampus ins Gesicht. Auf dem eiligen Rückzug – vielleicht hatte sie zuviel getrunken – glitt sie aus und fiel, schmuckbeladen wie ein Weihnachtsbaum, in den Pool.
Die Herren ihrer Begleitung, Fenrich ausgenommen, sprangen hinterher, um nach dem Schmuck zu tauchen. Da die zweimal geschiedene Millionenerbin ziemlich viele Juwelen trug, währte das Vergnügen der Taucher lange. In Anspielung auf Clarissa, die Erbin einer großen Lackfarbenfabrik, verließ Fenrich die Fete mit den Worten: ›Ich will nicht länger der Gelackmeierte sein.‹«
Der Mann auf der Flucht schüttelte sich und gab Dany das Blatt zurück.
»Sie Held!« sagte sie. »Wasserscheu?«
»Abgebrüht und abgekühlt«, erwiderte er.
Dany betrachtete noch einmal das Foto. »Sehr hübsch, Ihre Herzensdame!« stellte sie fest.
»Mag sein«, entgegnete Fenrich mit spitzen Zähnen. »Aber zickig. Und viel zu reich. Wissen Sie, wie widerwärtig reiche Leute sind?«
»Sind Sie denn arm?«
»Alles selbstverdient«, schnaubte er die Journalistin an.
»Und wenn Ihnen Clarissa jetzt nachreist?« provozierte ihn Dany.
»Unsinn!« versetzte er grob. »Kein Mensch weiß, wo ich bin. Das Reisebüro hält dicht, und die Welt ist groß.«
»Ich würde Sie im Nu aufstöbern«, versetzte Dany.
»Sherlock Holmes im Sauseschritt«, spöttelte Fenrich. »Zum Glück ist Clarissa keine solche Intelligenzbestie wie Sie.« Er stand auf, um das Gespräch nicht fortsetzen zu müssen.
Bruno Feiler zwängte sich im Gang an dem Architekten vorbei und besetzte vorübergehend seinen Platz: »Der Mann heißt Peter Kalaschke«, raunte er Dany zu: »Ingenieur. Seine Begleiterin nennt er Kim. Die beiden sind seit zwei Jahren verheiratet und leben in München.«
»Du bist wirklich gut, Bruno«, lobte Dany. »Weißt du zufällig noch, ob Kalaschke Linkshänder ist?«
»Auch das werde ich noch herausbekommen«, versprach er und setzte sich auf seinen richtigen Platz, weil das Mitternachts-Diner aufgetragen wurde.
»Danke«, wies Fenrich das Fertiggericht zurück. »Aber einen doppelten Whisky dürfen Sie mir bringen.« Er kippte noch mehrere bis zur Zwischenlandung in Bahrain.
Hier wurde die Crew ausgewechselt und die Tristar aufgetankt. Nach 40 Minuten startete der Jet wieder, bereits bei Tageslicht. Jetzt flog der Jet direkt gegen die Sonne in die Wonne. Fünf Stunden vor der Landung erwachten die Schlafenden in den Sesseln wieder, und mit ihnen das alte Thema. Den Männern war offensichtlich seit Adam und Eva nicht viel Neues eingefallen. Immer wenn sie in Massen auftraten, fand Dany sie abstoßend und primitiv; ein Rüden-Rudel, eingehüllt in eine Dunstwolke des Begehrens. Vielleicht war Dany, was die Lieblingsbeschäftigung des Menschen anbelangte, tatsächlich etwas unterentwickelt, aber balzende Sexprotze konnte sie einfach nicht ausstehen. Einen Moment lang war sie dem neben ihr dösenden Fenrich dankbar, daß er, Zoten und Witze überhörend, sich von den anderen wohltuend unterschied.
Die Mitreisenden erwiesen sich durchaus nicht alle als Trockensportler und Kegelbrüder. Einige lasen geschichtliche Werke und Kunstführer, um sich auf ihr Urlaubsziel vorzubereiten. Dr. Giraff, der Thailand-Enthusiast, saß ausgerechnet neben dem schnoddrigen Persulke, der zierliche Asiatinnen wie exotische Früchte nach Deutschland importierte, zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt. Gelegentlich verkaufte er auch gegen Höchstgebühr fernöstliche Ehefrauen an Vereinsamte. Auch der Geschäftsmann mit dem weiten Gewissen flog zweimal jährlich nach Thailand, um vor der Weiterverfrachtung seine menschliche Ware vor Ort zu prüfen.
Persulke versuchte ein paarmal mit dem neben ihm sitzenden Internisten ins Gespräch zu kommen, aber Giraff ließ ihn abfahren. Für die nächsten vier Wochen hing an seiner Praxistür ein Schild mit dem Hinweis, daß der Arzt an einem Kongreß teilnähme, der dem medizinischen Fortschritt diene. Auch in der Zeitung gab ein kleines Inserat bekannt:
PRAXIS DR. MANFRED GIRAFF IM FEBRUAR GESCHLOSSEN.
Die Stewardess beugte sich zu Dany herab. »Frau Callway«, sagte sie, »Flugkapitän Schneider hat in unserem Vertragshotel in Bahrain für Sie ein Telegramm in Empfang genommen.«
»Oh, vielen Dank!« erwiderte die sanftrote Reporterin und riß den Umschlag auf. Sie nahm an, daß die Nachricht von Frank Flessa stamme, sah dann aber,
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