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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Pullach sei der erfolgreichste Geheimdienst der Welt, zumal über Pannen und Rückschläge nichts bekannt wurde (die Wochenschau zeigt im Krieg ja auch nur feindliche Tote). Die Amerikaner bestätigten, daß über 70 Prozent allen Untergrundwissens über den Osten aus ORG-Quellen stammte. Die Auftraggeber waren in dieser Branche Anfänger und hatten keinerlei Erfahrungen mit ihren sowjetischen Ex-Bundesgenossen, und so leistete der ORG-Chef für sie unschätzbare, wenn auch nicht unbezahlbare Dienste.
    Pullachs wilde Jahre waren aber auch die idyllischen Zeiten gewesen: Wenn sich Außenagenten trafen, schlossen sie meist schon aus ihrer Zigarettensorte, für welche Besatzungsmacht sie arbeiteten. Geheimverbindungen reichten bis in das Vorzimmer des DDR-Ministerpräsidenten. Und täglich schwamm in Berlin ein abgerichteter Schwan mit Geheimmeldungen unter dem Gefieder unter der Glienicker-Brücke hindurch, auf der sich Vopos und Rotarmisten unterhielten, in den Westen und wieder zurück.
    Papas Spionage war tot. Pullach hatte als erste deutsche Dienststelle eine elektronische Daten-Anlage installiert. Das Camp war eine emsige Arbeitsstätte, aber kein Wohnghetto mehr, und so hatte es Kriminaldirektor Wallner schwerer mit seinen Recherchen und mußte seine Fahnder außerhalb des Camps einsetzen, um BND-Mitarbeiter nach Sicherheitsrisiken abzutasten. Wiewohl noch kein leitender Beamter der Südostasien-Abteilung von seinen Männern vernommen worden war, wähnten sie sich bereits von unsichtbaren Verfolgern umstellt.
    »Es stinkt«, sagte Regierungsrat Sanftleben.
    »Es riecht nach Felfe«, erwiderte sein Kontrahent Weidekaff.
    Beide waren alte BND-Leute und kannten noch aus eigenem Erleben die größte Panne, die Pullach je erlitten hatte: Regierungsrat Friesen – in Wirklichkeit ein Mann namens Felfe – war durch das sowjetische KGB als Maulwurf in die Pullacher Geheimdienstzentrale eingeschmuggelt worden. Zehn Jahre lang blieben der Doppelagent und seine beiden Helfer unentdeckt und spielten 300 Minox-Filme, 15.661 Aufnahmen und 20 Tonbänder mit immens wertvollem Geheimmaterial ihren Auftraggebern zu. Der Dezenniumsverrat lieferte den Sowjets 94 Agenten des Bundesnachrichtendienstes ans Messer und enttarnte 46 weitere in führenden Positionen. Das Verrätertrio demontierte das Ansehen des Generals, der bereits zu Lebzeiten aus sich eine Legende gemacht hatte.
    Befreundete Geheimdienste schotteten sich gegenüber der BND-Zentrale ab. Der Nimbus war beim Teufel; Pullach kochte auch nur mit Wasser, oft fauligem, und auf einmal schnüffelten Wallners Leute überall herum. Wenn man einen Mann wie ihn geradezu ermunterte, wenig behutsam aufzutreten, mußte er in diesem sensiblen Gewerbe einigen Flurschaden anrichten. Regierungsrat Sanftleben hatte seiner Freundin (ihre Existenz war zwar seiner Behörde, nicht jedoch seiner Frau bekannt) nicht mitgeteilt, daß es hinter der langen Mauer zu Schwierigkeiten gekommen war; und so beschwerte sie sich über einen aufdringlichen Vertreter, der unvermittelt und in unverschämter Weise Fragen nach ihrer sporadischen Zweisamkeit gestellt hatte.
    »Dieser Wallner«, sagte Sanftleben verärgert zu Weidekaff, »wühlt in unserer Intimsphäre herum wie ein Schwein.«
    »Morcheln wird er schon nicht finden«, erwiderte Weidekaff anzüglich.
    Auch er war verärgert über die Hexenjagd, und auch er hatte diese – wie jeder andere – zu fürchten. Max und Moritz, die Kampfhähne, tranken im Kasino ihren Kaffee, ohne weiter ein Wort miteinander zu sprechen, und die Umsitzenden wunderten sich, daß sie heute nicht miteinander stritten.
    Zwar unterstanden sie regelmäßigen Routine-Kontrollen, sie waren in der subversiven Branche unumgänglich, aber wie lässig und formal sie geführt wurden, hatte der Spion im Kanzleramt ebenso bewiesen, wie der hohe Funktionär des Verfassungsschutzes, der erst nach seiner Flucht nach Ostdeutschland entlarvt worden war, wiewohl bei dem amtsbekannten Säufer das Risiko offensichtlich gewesen war.
    Wieder meldete sich die Stadt der Engel; diesmal umging Grawutke, der amtierende Resident, den umtriebigen Schlumpf und wandte sich direkt an Pallmann. »Es ist nur ein Gerücht«, schränkte er ein, »aber es kommt aus verschiedenen Quellen, und einige von ihnen haben sich mehrfach als recht brauchbar erwiesen und …«
    »Was für ein Gerücht?« unterbrach ihn Cicero.
    »Es sieht so aus, als hätte Jack Caine vor seinem Tod unter Zwang Agency-Internes

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