Die Stadt der Engel
sah. Sie arbeitete vorgeblich als Handelsattache in der US-Botschaft, tatsächlich aber für die Agency, vor kurzem erst nach Bangkok ›strafversetzt‹, weil sie sich – eine offensichtliche Nymphomanin – zu viel aus Männern gemacht hatte. Der Agent betrachtete die hübsche Blondine mit den gebräunten Schultern mit mehr fachlichem als männlichem Interesse.
»Zufrieden?« fragte Carol.
»Sie sind mir fast zu hübsch«, erwiderte er.
»Wie bedauerlich –«, entgegnete sie lächelnd.
»Schätzungsweise 89 zu 56 zu 89«, stellte er fest.
»Sie haben meine Legende auswendig gelernt«, erwiderte Carol Dexter lachend.
»Nicht auswendig gelernt«, versetzte Kalaschke. »Erfunden.«
»Und meinen guten Ruf dadurch ruiniert«, erwiderte sie. Die Schaumwolke, die Carols Konturen einhüllte, fiel zusammen und begann eine reizvolle Aussicht auf eine herrliche Körperlandschaft freizugeben.
»Wenn wir unseren Einsatz erst überstanden haben, wird er wiederhergestellt werden«, versprach der Einsatzleiter und warf Carol ein Badetuch zu.
Er ging in das Apartment zurück, schaltete das Radio ein, zündete sich eine Zigarette an. Er brauchte nicht lange zu warten.
»Der Einstieg hat jedenfalls geklappt«, erklärte Carol, eingehüllt in einen hauseigenen Bademantel. »Wir sind absolut sicher, daß Sie nicht aufgefallen sind.«
Kalaschke nickte; er hatte es nicht anders erwartet. »Und was hat nicht geklappt?« fragte er dann.
»Sind Sie ein Hellseher oder ein Schwarzseher?« versetzte sie keß, bemerkte seinen Unwillen und schoß geschäftig los: »Es herrscht zur Zeit Hochbetrieb auf beiden Seiten. Die Vietnamesen werden in Kambodscha schon in den nächsten Tagen ihre Offensive starten und …«
»Was macht der Fall Caine?« unterbrach er ihre militärpolitischen Prognosen.
»Der Obduktionsbericht liegt jetzt vor«, referierte die Helferin. »Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß der stellvertretende CIA-Resident – er sollte übrigens im nächsten Monat abgelöst werden – zwei Tage vermißt worden war.«
Kalaschke nickte. Das war weiter nichts Besonderes; es war öfter vorgekommen und sicher auch einer der Gründe für Caines geplante Abberufung.
»Die Leichenöffnung ergab den dringenden Verdacht, daß Jack Caine vor seiner Ermordung gefoltert worden ist. Wir stellen gerade zusammen, was er gewußt hat und was er zusätzlich erfahren haben könnte.«
Kalaschke wußte, was diese Mitteilung bedeutete: In einem solchen Fall mußte ein Intelligence-Service, um sicherzugehen, einem Chirurgen gleich ›tief im Gesunden‹ operieren, und das hieß, Agenten aus Bangkoks Frontlinie abziehen, die vom Gegner vielleicht noch gar nicht enttarnt worden waren.
»Caine ist offensichtlich gleichermaßen ein Opfer seines Berufs wie seiner Passion geworden«, fuhr Carol fort. »Wenn der Mann nicht für Langley hinter einer Sache her war, dann mit Sicherheit hinter einem Mädchen. Vielleicht sollte man nur Kastraten im Geheimdienst verwenden.«
»Gute Idee«, erwiderte Kalaschke trocken. »Ich werde Ihre Anregung weiterleiten.« Er drückte seine Zigarette aus und zündete sich sofort die nächste an. »Und die anderen Mitglieder der CIA-Residentur?«
»… bangen vor der weiteren Entwicklung, weil sie auch keine Eunuchen sind«, versetzte die vorgebliche Handelsdiplomatin, die nur unsichtbare CIA-Kontakte unterhielt.
»Wie weit seid ihr mit Pullachs Nummer 131?«
»Bergmanns Wohnung wurde von Unbekannten durchsucht, und zwar mehr als gründlich. Wir wissen nicht, was die Burschen suchten und ob sie es gefunden haben. Da wir der örtlichen Polizei bei der Aufklärung den Vortritt lassen mußten, haben wir es erst mit Verspätung erfahren.«
»Shit as usual.« Kalaschke wurde gewöhnlich.
»Aber es gibt auch eine gute Nachricht«, entgegnete Carol. »Major Vasatrana ist dabei, zum ersten Mal tief in Sullas Heroinnetz einzudringen. Er steht vor dem Zuschlagen und ist kaum mehr zu bremsen. Die Spur weist auf den Thai-Trasco-Konzern hin.«
»Was halten Sie von dem Major?« fragte der Topagent.
»Er ist tüchtig und zuverlässig«, erwiderte die Kontaktfrau. »Und er hat Zivilcourage und Einfälle. Haben Sie Bedenken?«
»Bedenken habe ich immer«, versetzte Kalaschke. »Manchmal traue ich mir selbst nicht.«
»Jetzt übertreiben Sie aber gewaltig«, versetzte Carol.
Kalaschke lotete Carols Gesicht aus, deren eine Hälfte die langen Haare wie ein Vorhang verdeckte. Er war durchaus zufrieden mit der Wahl,
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