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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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wie gut er sich in der Landessprache ausdrücken konnte, keineswegs das übliche Thai-Welsch der Touristen radebrechend. Der Architekt sah immer wieder zu der schönen Sanftroten herüber und dann schnell wieder weg, wenn er ihren meergrünen Augen begegnete. Offensichtlich mißfiel es ihm, daß ihm die Journalistin gefiel.
    »Du mußt mir einen Gefallen tun, Bruno«, sagte die Auftraggeberin. »Ich erwarte mit der Lufthansa-Maschine einen Luftfrachtbrief aus München.«
    »Aber doch wohl erst heute nachmittag«, erwiderte der Assistent.
    »Richtig«, bestätigte Dany. »Aber du mußt eine zuverlässige Stewardess suchen, die Kurierpost von mir nach München mitnimmt und morgen früh sofort nach Ankunft persönlich bei Frank Flessa im GLOBUS abgibt.« Sie wußte, daß sie sich auf ihn verlassen konnte, und setzte trotzdem hinzu: »Hör zu, Bruno, es ist ganz, ganz wichtig. Ich muß sichergehen, daß es hundertprozentig klappt und daß Frank morgen dieses Schreiben hat.« Sie übergab ihm den Brief mit dem Dusit-Thani- Absender.
    »Hat's schon mal nicht geklappt?« versetzte Bruno, eine Spur ungehalten.
    »Nein«, entgegnete Dany. »Aber es war auch noch nie so wichtig.«
    »Gut, ich mach' mich sofort auf die Socken«, verabschiedete sich Bruno.
    Fenrich hatte offensichtlich seinen inneren Kampf verloren. Er stand auf und kam an den Tisch. »Störe ich?« fragte er.
    »Sie doch nicht«, spöttelte Dany. »Bei Ihrer wohltuenden Zurückhaltung.«
    »Wollen Sie tatsächlich diese stupide Sightseeing-Tour mitmachen?«
    »Wohl oder übel«, entgegnete sie. »Das spart Zeit und ist informativ. Oder kennen Sie eine bessere und schnellere Methode, Tagesimpressionen in der Stadt der Engel zu sammeln?«
    »Bestimmt«, versetzte der Wikinger. »Aber Ihnen geht es vermutlich darum, Ihre Reisegefährten nicht aus den Augen zu lassen. Sie sind doch sicher nicht zum Vergnügen per Liebesbomber nach Bangkok geflogen, Dany.«
    »Wie scharfsinnig«, konterte sie. »Ein Journalist ist eigentlich immer im Dienst.«
    »Und Ihre Mitreisenden sind Ihre Mannequins und gehen ahnungslos für Ihre Story über den Laufsteg.«
    »Nicht aufregen, Ferry!« fing ihn Dany ab. »Bis jetzt geben Sie doch noch eine gute Figur ab.«
    »Danke«, erwiderte er und verzog das Gesicht.
    »Gewiß, ich brauche Atmosphäre, Anregung, Aufregung, Vergleiche, Gerüche, Geräusche, sogar Geschwätz«, erläuterte Dany. »Aber ich schreibe nicht ab. Und ich bin eine Publizistin und keine Denunziantin.«
    »Aber das weiß ich doch«, erwiderte Fenrich. »Sie brauchen mir nichts zu erklären, Dany. Ich bin GLOBUS-Abonnent. Ich kenne Ihre Berichte.« Er stellte fest, daß er sie beeindruckt hatte. »Ich will Ihnen etwas verraten: Ich stehe unter Streß und bin deshalb ein ziemlich säumiger Leser – aber Ihre Beiträge laß ich mir nur selten entgehen.«
    »Das ist ja ein echtes Kompliment«, versetzte Dany. »Danke, Ferry. Warum können Sie sich eigentlich so gut in der Thai-Sprache ausdrücken?«
    »Ich hatte vor langer Zeit als Student einen Wettbewerb gewonnen«, entgegnete der Wikinger. »Der Preis war ein halbes Jahr Studienaufenthalt in Bangkok. Es waren die farbigsten und interessantesten sechs Monate meines Lebens. Wissen Sie, Dany, die meisten Besucher erleben dieses Land nur vordergründig und oberflächlich«, behauptete er. »Sie bleiben an diesem allgegenwärtigen Lächeln hängen, ohne zu ahnen, daß es die Mauer ist, die sie erst durchbrechen müssen, um das wahre Thailand zu erreichen.«
    »Schön formuliert«, erwiderte Dany.
    »Nichts gegen den Fremdenführer im Touristenbus«, konstatierte Fenrich, »aber er zeigt Ihnen diese Stadt im Espressostil. Ein Instant-Bangkok. Genausogut könnten Sie Dias kaufen und sich die Erklärungen per Tonband anhören.«
    »Es ist ja auch erst ein Anfang, ein Einstieg. Immer der Reihe nach: erst die Sehenswürdigkeiten und dann die Anrüchigkeiten, die Klongs und Shows und …«
    »Hoffentlich fassen Sie mein Angebot nicht falsch auf«, erwiderte Fenrich, »aber ich würde Ihnen gern ein echtes Bangkok vermitteln.«
    »Ich nehme dankend an«, versetzte die Journalistin. »Ich mißverstehe Sie auch nicht. Ich weiß, daß Sie der einsame graue Wolf auf der Flucht sind, Doktor Kimble, und sich Frauen zur Zeit nur von hinten ansehen.« Sie wurde gleich wieder ernsthaft. »Morgen?«
    »Abgemacht«, erwiderte er. »Es macht mir Freude, eine aufregende Stadt und eine intelligente Frau zusammenzubringen.«
    Fenrich nutzte

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