Die Stadt der Engel
den Vormittag, um Thai-Freunde zu besuchen, während Dany den fünfeinhalb Tonnen schweren Buddha aus purem Gold im Wat Trimitr bestaunte, eine siebenhundert Jahre alte Statue. »1954 kam es zu einem Transportunfall«, erklärte der Guide, ein Thailänder, der ein paar Jahre bei VW in Wolfsburg gearbeitet und dort ein passables Deutsch erlernt hatte. »Die Gipsverschalung platzte, und da sah man erst, daß die 15 Meter hohe Figur aus reinem Gold besteht. Man hatte sie vor den Burmesen, den Erzfeinden Thailands, als wertlos maskiert und vergraben und …«
Dany ging zum Omnibus zurück. Die Sonne schien, aber die Stadt lag unter einem Schmutzfilm. Weiße Hemdkragen wurden im Nu grau, Unternehmungslust erstickte im Mief. Die Touristen stiegen wieder ein. Kalaschkes saßen Dany gegenüber. Sie war bestrebt, sie nicht anzusehen, doch wenn sie dauernd wegsah, fiel es auch auf. Und so versuchte die Journalistin, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.
Wer war die Thailänderin, die sicher noch ganz andere Aufgaben hatte, als Post aus dem Geisterhäuschen zu holen! Eine blendende Idee, an Bord eines Liebesbombers nach Bangkok zu fliegen. Dany begriff, daß Kalaschke in die Rolle des albernen Touristen geschlüpft war, um zu testen, ob er an der Stätte seiner Jugend und sicher auch späterer Untergrundtätigkeit erkannt würde. Meistens sprach er englisch mit seiner Begleiterin, mitunter auch deutsch.
Sie fuhren zum Wat Arun, dem Tempel der Morgenröte. Anschließender Besuch des Smaragd-Buddhas im Wat Phra Keo. Spätestens nach der vierten Station sehnte sich Dany in stechender Hitze nach dem hoteleigenen Swimming-pool.
Auf einmal stellt sie fest, daß ihr Gegenüber, Kalaschke, von einer Sekunde auf die andere verschwunden war und seine Thai-Frau jetzt wie eine Bewacherin neben ihr saß, aber kein Wort sagte.
Der Agent hatte nur ein paar Schritte zum Oriental- Hotel, Bangkoks vornehmster und ältester Nobelherberge, direkt am Menam-Fluß. Wo Joseph Conrad und Somerset Maugham einst ihren Tee genommen hatten, fand sich jeden Mittag Grawutke ein, Bangkoks stellvertretender BND-Resident, einer der wenigen, die Paul Garella persönlich gekannt hatten.
Vor dem Eingang zum Terrassenrestaurant gab es ein Gedränge, und Kalaschke rempelte den Mann leicht an und entschuldigte sich sofort mit verstellter Stimme.
»Passen Sie doch auf!« erwiderte Grawutke ungehalten.
Damit war Paul Garellas letzter Test gelungen: Pullachs Mann hatte ihn weder am operierten Gesicht noch an der verstellten Stimme erkannt. Freilich hätte er ein noch wirksameres Experiment machen können: bei seinem Jugendfreund Decha; aber nach langen Debatten hatte ihm der große Gregory untersagt, den höheren Polizeioffizier aufzusuchen. Wenn etwas schief liefe, an seinem operierten Gesicht läge es nicht. Es fiel Garella schwer, sich damit abzufinden, daß ihm die verdammte Journalistin in die Quere gekommen war.
Er wußte noch immer nicht, wie er sie ausschalten könnte.
Der Jungbrunnen sprudelte wieder. Malee blieb die hingebungsvolle Kindfrau, die nie zu wenig erlaubte und nie zu viel verlangte, liebevoll und anschmiegsam, beruhigend wie verführerisch. Trotzdem ging seit der Vernehmung Dr. Giraffs durch Major Vasatrana ein Riß durch die vierarmige Zweisamkeit, sosehr die Thailänderin und ihr deutscher Freund auch bestrebt waren, ihn zu kitten.
Die Feststellung des Geheimdienstoffiziers, die der Internist aus München zunächst überhört hatte, weil er sie überhören wollte, verfolgte ihn: ›Da sind Sie nicht der einzige, der in Malee verliebt ist, Doktor Giraff.‹
Verfallene Mauerwände und enge Häuserschluchten warfen das Echo zurück: ›Nicht der einzige … nicht der einzige, nicht der einzige …‹
»Sag mal, Malee«, bohrte Giraff, »was tust du eigentlich während der ganzen Zeit, wenn ich nicht in Thailand bin?«
»Du mich flagen schon das dlitte Mal«, erwiderte sie mit leichtem Vorwurf. »Ich gehen zu meinen Elteln und zu meinen Bludeln und andelen Velwandten nach Chiang-Mai. Du weißt doch, Thais sind sehr familiäl.«
»Die ganze Zeit?«
»Don't be so jealous!« fiel die Zierliche mit den funkelnden Mandelaugen ins Englische. »You're all I have and all I love«, sagte sie, um zu erproben, ob Manfled ihre Beteuerungen genauso beglückt aufnähme wie sein Vorgänger Fred Miller, den sie nach Hongkong vorausgeschickt hatte, ohne die Absicht nachzukommen.
Giraff fuhr ihr mit der Hand über die hochgesteckten schwarzen
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