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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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ich sagte wütend, wenn wir so schlimme Eltern seien, die nichts anderes im Sinn hätten, als ihr zu schaden, dann könne sie ja gehen. Eine Stunde später war sie fort. Sie hat ihre Sachen gepackt, dich in eine Babytrage gelegt und sich ein Taxi gerufen. Seit diesem Tag habe ich meine Tochter nicht wiedergesehen.«
    Lara fühlte den inneren Schmerz, der ihren Großvater zu zerreißen drohte. Tröstend legte sie eine Hand auf seinen Arm.
    Aber ihre Gedanken waren in Aufruhr. An dieser Geschichte stimmte etwas nicht und dieses Mal konnte nicht die Zeit die Details verändert haben.
    Ihre Mutter hatte erzählt, ihre Eltern hätten ihr Vorwürfe gemacht, dass sie Michael aus dem Haus getrieben habe. In der Erzählung ihres Großvaters war es genau anders herum, da hatte Rachel gegenüber den Eltern Anschuldigungen erhoben.
    Lara hatte das Gefühl, dass beide Seiten sich die Wahrheit zurechtbogen. Dass keiner seine eigene Schuld an dem Geschehenen zugeben wollte, sondern die Last jeweils auf dem anderen ablud.
    Aber da war noch mehr, das spürte Lara.
    Denn eine Frage blieb.
    Was war aus ihrem Vater geworden?

26.
    Die fünf Männer trafen sich in einem kleinen Park ganz in der Nähe der Spree. Die Überreste einer letzten spätherbstlichen Grillparty verunzierten den noch immer grünen Rasen. Der Wind trug den Geruch des träge vorbeifließenden Wassers heran und wirbelte ein paar vergessene Plastikbecher in die Luft. Arias blickte gedankenverloren zum Fluss. Trauerweiden ließen ihre Äste bis tief über das Wasser hängen. Ein einsamer Vogel zwitscherte in einem kahlen Gebüsch. Am Himmel hingen schwarze Wolken, die ein heraufziehendes Gewitter ankündigten.
    Neben Arias stand ein weiterer Krieger, der unruhig mit einem Ast in der Grillkohlenasche herumstocherte, als sich drei Männer vom Eingang des Parks her näherten.
    Arias wandte sich um, als er ihre Schritte hörte, dann ging er auf sie zu. Ohne ein Wort fasste er die Hände eines jeden einzelnen und dankte ihnen so für ihr Kommen. Dieser Ort war nicht gefährlich, er lag fernab jener Stadtviertel, die die Dämonen unter ihren Einfluss gebracht hatten, aber Gabriel hatte ihnen befohlen, zu warten und noch nichts zu unternehmen. Aber Arias wollte nicht mehr warten.
    Gaval war tot. Die Dämonen hatten ihn in eine Falle gelockt, und als er starb, durchlebten alle Engel in der Stadt seinen Untergang mit ihm. Seine Verzweiflung war zu ihrer Verzweiflung geworden, aber sein tapferer Kampf hatte sie auch mit Stolz erfüllt. Nun war es Zeit zu handeln. Es war an der Zeit, Gavals Tod zu rächen.
    Obwohl sie sich telepathisch verständigen konnten, zog es Arias vor, in der Sprache der Menschen zu reden. Sollte sich doch ein Jogger oder Spaziergänger hierher verirren, würde eine schweigende Gruppe von Männern bestimmt auffallen.
    »Unser Bruder ist gefallen. Gaval ist nicht mehr bei uns.«
    Die anderen blieben stumm. In ihren edlen Gesichtern war Trauer zu sehen, aber man konnte auch Zorn darin entdecken.
    »Ich kenne das Gebäude, in dem sich die Dämonen verstecken, die Gaval in eine Falle gelockt haben, und ich sage euch, lasst uns den Kampf in ihre Reihen tragen. Lasst uns Gaval rächen.«
    Sanael blickte erschrocken auf. »Gabriel hat uns befohlen zu warten. Er ist unser Führer in dieser Schlacht. Wir können nicht ohne seine Zustimmung handeln.«
    »Gabriel ist unser Führer«, stimmte Arias ihm zu. »Und es gibt keinen Besseren als ihn, aber jetzt ist nicht die Zeit des Wartens. Wir müssen ein Zeichen setzen – für uns und die anderen.« Seine ausgestreckte Hand deutete auf die andere Seite des Flusses. »Die Dämonen sollen erfahren, dass kein Angriff ungesühnt und kein Gefallener ungerächt bleibt.«
    Arias trat auf Sanael zu, der immer noch zögerlich wirkte, und legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Ich respektiere Gabriel über alle Maßen, das weißt du. Wir haben im großen Krieg Seite an Seite gekämpft, aber ich kann nicht zusehen, wie die dunkle Seite unsere Brüder tötet, ohne dass wir etwas dagegen tun. Verstehst du das?«
    Sanael nickte.
    »Dann lasst uns beten, für Gaval und für das, was wir heute Nacht tun müssen.«
    Alle fünf beugten ihre Häupter und falteten ihre Hände.
    Und Arias sprach das uralte Gebet, das Engel an den Herrn aller Welten richten, bevor sie für die Seite des Lichts in den Kampf ziehen.
     
    Lara hatte unruhig geschlafen und lustlos ein halbes Brötchen gefrühstückt. Obwohl sie dabei ein schlechtes Gewissen

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