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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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unangemessen gewesen. Gabriel war ein großer Krieger und ein weiser Anführer. Arias liebte ihn von Herzen, aber er sah auch die Gefahr heraufziehen, die durch Gabriels Zögern nur noch größer wurde. Satan hatte Damian in diese Welt gesandt, damit er sich des Mädchens bemächtigte. Was er mit ihr vorhatte, wusste er nicht. Wer konnte schon wissen, was Satans schwarze Seele begehrte?
    Das Mädchen war von großer Bedeutung.
    Arias spürte, dass ihr Schicksal über das Schicksal der Menschen entscheiden konnte. Umso wichtiger war es, nicht länger einfach nur abzuwarten, sondern den gegnerischen Anführer zu vernichten – auch wenn der Gedanke, einen dunklen Engel zu töten, ihm Unbehagen bereitete. Sein Tod würde die dämonischen Jäger führerlos zurücklassen. Wie eine Schlange, der man den Kopf abgeschlagen hatte, wären sie unfähig, Satans Befehle zu befolgen. Gabriel würde die Zeit bekommen, die er brauchte, um mit dem Mädchen zu reden.
    Aber dafür mussten sie handeln. Jetzt!
    Kannst du es nicht sehen, Gabriel?, schrie er stumm auf. Jeder Tag, der vergeht, jede Stunde bringt Satan der Erfüllung seiner Träume näher. Er hat uns schon einmal verraten. Nun will er sich erneut an Gottes Schöpfung vergehen. Nur wir stehen zwischen ihm und dem Ende der Welt.
    Arias ließ seinen Blick über all die Menschen schweifen, die gerade über den Platz liefen. In seiner Seele echote eine einzige Frage.
    Bin ich würdig?
    Bin ich würdig, Gottes Plan zu erfüllen?
    Darauf gab es keine Antwort. Jede Antwort wäre anmaßend gewesen, denn es hätte bedeutet zu glauben, den Willen des Schöpfers zu kennen.
    Er versuchte, alle Geräusche auszublenden und in sein Inneres zu lauschen. Er musste es fühlen. Doch alles, was er fühlte, war Verzweiflung.
    Tränen liefen über sein Gesicht. Langsam stand er auf und überquerte den Platz. Er konnte nicht mehr warten. Die Zeit zu handeln war gekommen. An einer Ampel blieb er stehen, legte den Kopf in den Nacken und schloss langsam die Augen. Das Gesicht zum Himmel gewandt, begann er zu beten.

46.
    Lara erwachte wie aus einem dunklen Traum. Sie saß auf der Bettkante und wie ein Puzzle setzte sich Stück für Stück das Zimmer vor ihren Augen zusammen. Sonnenschein fiel durch die geöffneten Vorhänge auf den Boden und sie starrte auf das Muster aus Licht und Schatten.
    Hell. Dunkel. Weiß. Schwarz.
    Was war mit ihr geschehen? Warum saß sie hier? Wo war Damian?
    Dann fiel es ihr wieder ein. Dieses Mal erfüllte sie keine zügellose Wut, sondern nur eine alles umfassende Traurigkeit. Der Brief! Sie wollte ihn noch einmal lesen.
    Lara öffnete ihre geballte Faust. Kleine Aschefetzen stoben im Luftzug davon. Verblüfft starrte sie auf ihre verrußte Hand. Sie konnte sich nicht daran erinnern, das Stück Papier verbrannt zu haben – und doch musste es so sein, denn woher sollte sonst die Asche kommen?
    Lara beugte sich vor und blies vorsichtig über ihre Handfläche. Ein letztes Stück verkohltes Papier schwebte davon.
    Was habe ich bloß falsch gemacht? Warum liebt mich niemand? Als ihr im nächsten Moment Tränen in die Augen stiegen, verfluchte sie sich für ihr Selbstmitleid. Sie ganz allein war schuld an ihrem Elend. Niemand zwang sie dazu, ihr Herz ständig an den Falschen zu verschenken.
    Ein bitteres Lächeln kroch über ihr Gesicht.
    Liebe? Ist wohl nicht mein Ding, also sollte ich es in Zukunft besser einfach bleiben lassen!
    Lara wusste nicht, wie lange sie auf ihrem Bett saß und vor sich hin starrte, aber allmählich klang der Schmerz in ihrem Inneren ab. Zurück blieb ein dumpfes, schales Gefühl, aber immerhin konnte sie wieder klar denken.
    Die Ferien waren bald zu Ende, dann würde sie in ihr altes Leben zurückkehren, sich auf die Schule konzentrieren und sich ansonsten um sich selbst kümmern. Aber erst einmal musste sie diesen Tag in Angriff nehmen.
    Lara erhob sich vom Bett und ging ins Badezimmer. Sie putzte sich die Zähne und wusch sich das Gesicht. Einige Minuten lang kämmte sie ihr langes Haar durch. Sie tat es gedankenlos und ohne sich darum zu kümmern, ob sich neue Knoten bildeten. Nachdem sie etwas Rouge aufgelegt hatte, wagte sie es endlich, sich selbst im Spiegel zu betrachten.
    Was sie erblickte, war okay. Nicht mehr und nicht weniger. Sie sah nicht gerade wie das blühende Leben aus, aber sie hatte auch keine vom Weinen geröteten Augen oder geschwollene Tränensäcke.
    Scheiß drauf. Ab jetzt ist Schluss mit der Flennerei! ,beschwor sie sich

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