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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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brauchten einen Moment, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Als er einzelne Konturen ausmachen konnte, bleckte er die Zähne zu einem wilden Lächeln.
    Er war da! Die Welt der Menschen mit all ihren Vergnügungen lag vor ihm. Vorfreude auf die Jagd raste durch seinen Körper und ließ ihn erschauern. Dann zwang er sich zur Ruhe. Satan hatte ihm einen eindeutigen Befehl gegeben. Bring mir das Mädchen! Töte den Verräter!
    Er schloss die Augen für einen Moment und sog tief die abgestandene Luft ein. Es war kühl hier unten. Obwohl der Staub in seiner Nase kitzelte, empfand er das Gefühl zu atmen als angenehm.
    Asiszaar öffnete die Augen und streckte beide Hände vor sich aus. Flammenzungen zuckten aus seinen nach oben gekehrten Handflächen und erleuchteten die Umgebung. Aufmerksam sah er sich um. In einer Ecke des Kellers waren verrostete Gartenstühle aufeinandergestapelt. Auf einem Holzregal standen ein paar leere Einmachgläser, von denen viele gesprungen waren, und an der gegenüberliegenden Wand lehnte ein altes Fahrrad ohne Sattel.
    Am anderen Ende des Raumes führte eine steile Treppe in die Oberwelt. Als Asiszaar die Stufen hinaufstieg, knarrte das alte Holz unter seinem Gewicht.
    Oben angekommen, versperrte ihm eine abgeschlossene Tür den Weg. Asiszaar zögerte nicht. Das Feuer in seiner rechten Hand erlosch und er stieß mit der Faust gegen die Tür, die daraufhin aus den Angeln gerissen und in den nächsten Raum geschleudert wurde.
    Er betrat das Erdgeschoss des Hauses und blickte sich um. Nackte Wände, mit Blut und Fäkalien verschmiert, glotzten ihn stumm an. Hier gab es nichts. Nichts außer vertrockneten Knochen, die den Boden bedeckten und unter seinen Schritten zersplitterten. Ein Fenster fehlte. Asiszaar ging hinüber und blickte hinaus.
    Vor ihm lag ein verlassener Hof, über den der Wind vertrocknetes Laub wehte. In den Ritzen des Kopfsteinpflasters wuchsen Grasbüschel. Das Wrack eines Autos, dessen Marke man nicht einmal mehr erahnen konnte, rostete einsam vor sich hin.
    Asiszaar sah sich aufmerksam um. Doch auch hier drohte keine Gefahr. Keine Menschen. Keine Dämonen. Nichts außer dem Wind, der über sein Gesicht strich und den verlockenden Duft von Beute mit sich trug.
    Der dunkle Engel löschte nun auch das Feuer, das noch immer über seine linke Hand züngelte, und ging zur Tür hinüber, die ihn in den Hof führte. Irgendwo, weit entfernt, kläffte ein Hund. Das heisere Gebell zog wie ein Klagelied über ihn hinweg, ohne ein Echo zu finden. Asiszaar orientierte sich kurz, dann ging er mit zügigen Schritten in Richtung der angrenzenden Straße, auf der weder Menschen noch irgendwelche Fahrzeuge zu sehen waren.
    Er wusste, wo Damian zu finden war, aber erst musste er dorthin gelangen. Außerdem brauchte er Unterstützung – Dämonen, die er unter seinen Willen zwingen konnte, damit sie ihm dienten und den Verräter in seine Arme trieben. Er wusste nicht, wie loyal die mit Damian ausgesandten Jäger waren, aber Asiszaar war sich bewusst, dass er einer überwältigenden Übermacht gegenüberstehen konnte, und so hatte er beschlossen, die Hilfe der hier lebenden Dämonen für sich in Anspruch zu nehmen. Dazu musste er jedoch in die Innenstadt. Aber wie sollte er dorthin kommen?
    Ratlos blieb er auf dem Bürgersteig stehen, als ein tiefes Brummen seine Aufmerksamkeit weckte. Asiszaar wandte den Kopf und sah einen gigantischen Lastwagen die Fahrbahn entlangkommen. Im nächsten Moment stand er mitten auf der Straße. Den Körper seitlich weggedreht, streckte er den rechten Arm aus, als wolle er mit der bloßen Hand das tonnenschwere Fahrzeug stoppen. Aber so weit kam es nicht. Mit einem protestierenden Kreischen und dem anschließenden Zischen der pneumatischen Bremsen kam der Lkw keinen Meter vor ihm zu stehen.
    Ein Mann mittleren Alters beugte sich aus dem Fenster der Fahrerkabine. Von seiner Stirn lief Schweiß, das Gesicht war wutverzerrt. »He, du Arschloch. Was soll der Scheiß?«, brüllte er Asiszaar entgegen. »Bist du geil aufs Sterben?«
    Asiszaar ging um die Frontseite des Fahrzeugs herum, bis er neben der Fahrertür stand. Er legte den Kopf in den Nacken und sagte ruhig: »Ich muss in die Stadt und du wirst mich dahin bringen.«
    »Du kannst mich mal!«, kam als Antwort.
    Der dunkle Engel lächelte. »Das war keine Frage«, entgegnete er und griff nach dem Türgriff, aber der Mann war schneller. Die Verriegelung rastete ein.
    »Und nun?«, fragte der

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