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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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zwei gefälschte Reliquien gibt, können wir davon ausgehen, dass es noch mehr sind.»
    «Hm.» Jolánda nickte vor sich hin. «Also will jemand damit während der Heiltumsweisung bei den Pilgern ein gutes Geschäft machen.»

10. Kapitel
    E rschöpft rieb sich Bardolf Goldschläger über die Augen, bevor er das Rathaus über die breite Steintreppe verließ. Die Sitzung des Stadtrats hatte lange gedauert und er bis fast zum Schluss ausharren müssen, da die Abläufe während der Schreinsöffnung am 9. Juli erst recht spät zur Sprache gekommen waren. Ursprünglich war sein Vater für diese Aufgabe ausgewählt worden, denn nur der beste und bekannteste Goldschmied Aachens kam dafür in Frage. Doch Anton Goldschläger war vor zwei Monaten an einer Herzschwäche gestorben und hatte verfügt, dass sein einziger Sohn und Erbe bei dem Ritual der Schreinsöffnung seine Nachfolge antreten sollte.
    Die Nachricht hatte Bardolf völlig überraschend erreicht, nachdem sein Vater bereits beerdigt gewesen war. Er hatte sich seit vielen Jahren auf Wanderschaft befunden, und der Bote, der ihm davon berichtete, hatte einige Wochen gebraucht, bis er Bardolf in einer Goldschmiede in Rouen gefunden hatte.
    Bardolf war, so rasch es der Abschied von seinem dortigen Meister erlaubte, nach Aachen zurückgekehrt, um nunmehr als Meister die Werkstatt seines Vaters zu übernehmen. Eine Werkstatt, die gut lief, jedoch auch mit fester Hand geführt werden wollte. Drei Gesellen und ebenso viele Lehrlinge hatten bei Anton Goldschläger gearbeitet; Bardolf hatte sie alle übernommen. Doch da sein Elternhaus recht klein und schon alt war, überlegte er bereits, ob er es nicht verkaufen und sich einen neuen Wohnsitz suchen sollte, wo er auch die Werkstatt vergrößern konnte.
    Die ehrenvolle Aufgabe, das Schloss am Marienschrein feierlich aufzubrechen und nach der zweiwöchigen Heiltumsweisung auch wieder zu verschließen und mit Blei auszugießen, brachte ihm Anerkennung und Aufmerksamkeit, die er beide brauchte, um dem guten Namen, den sein Vater gehabt hatte, gerecht zu werden.
    Bardolf war ein sehr guter Goldschmied. Nicht umsonst hatte er schon als Knirps von vier oder fünf Jahren seine Nase ständig in seines Vaters Werkstatt gesteckt und ihm Löcher in den Bauch gefragt. Während seiner Lehrzeit bei einem befreundeten Goldschmied und später in den Jahren seiner Wanderschaft hatte er noch vieles dazugelernt und sein Können verfeinert. Durch seine lange Abwesenheit war er den Aachener Bürgern jedoch fremd geworden, und er war sich bewusst, dass die Aufgabe, die ihm bei den Vorbereitungen zur Heiltumsweisung zukam, seinem Ruf nur guttun konnte.
    Er war das Procedere mit den Ratsherren heute mindestens dreimal durchgegangen, und sein Kopf brummte wie ein Wespennest. Bardolf überquerte den Kaxhof und genoss die Stille, die die Dämmerung mit sich gebracht hatte. Trotz der vielen Pilger, die zum Teil an den Straßen- und Gassenrändern ihre Zelte aufgeschlagen hatten, war jetzt, am späten Abend, Ruhe in der Stadt eingekehrt. Bis zum Kompletläuten dauerte es zwar noch mehr als eine Stunde, doch die meisten Menschen schliefen bereits. Die Tavernen und Gasthäuser hatten ihre Pforten geschlossen, und nur wenige Saufbrüder wankten auf der Suche nach Gesellschaft und Bier oder Wein über den Marktplatz, den Bardolf nun erreichte.
    Wäre es früher am Abend gewesen, hätte er sich bei Harro, dem Wirt vom Goldenen Ochsen, noch etwas zu essen bestellt, denn sein Magen knurrte bereits seit Stunden. Nun würde er mit dem vorliebnehmen müssen, was er in der Speisekammer fand.
    Er zuckte zusammen, als irgendwo in der Nähe etwas laut quietschte und dann zu Boden krachte. Ein Pferd wieherte, dann vernahm er leise fluchende Stimmen. Neugierig sah er sich um. Arbeitete um diese Zeit etwa noch jemand und riskierte damit einen Rüffel durch die Nachtwächter? Oder war jemand gestürzt und benötigte Hilfe? Die Geräusche waren aus der Einmündung zur Großkölnstraße gekommen.
    Langsam ging Bardolf in diese Richtung und erkannte bei einem der Häuser zwei Gestalten, die sich offenbar mit einer zerbrochenen Kiste abmühten, die von einem Fuhrwerk gefallen war. Auf dem Boden lagen überall Holzsplitter verteilt. Bardolf lief auf sie zu. «He da, guten Abend!», sagte er. «Kann ich Euch behilflich sein?»
    Die beiden Männer schraken sichtlich zusammen. Einer von ihnen, ein schmächtiger Kerl, der die Kapuze seines Mantels so weit in die Stirn gezogen hatte,

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