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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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eine Hand auf die Schulter. «Also für mich klingt das gar nicht so abwegig», sagte sie. «Denn irgendeinen Grund muss es doch für den Tod des Jungen geben. Wenn er etwas über diese Reliquie wusste, hat man ihn vielleicht umgebracht, damit er es nicht weitererzählen kann. Und es liegt doch nahe, Reinold des Mordes zu beschuldigen. Damit könnte man sehr gut vom wirklichen Mörder ablenken. Reinold war Klas’ Meister, er hat Verbindungen zum Reliquienhandel … und er war in der Nähe, als der Mord geschah.»
    Enno starrte nun beide Frauen irritiert an, doch dann ließ er sich langsam auf die Bank sinken und rieb sich übers Kinn. «Wenn es so wäre», begann er nach einer Weile, «wenn es sich so verhielte, müsste man davon ausgehen, dass tatsächlich jemand aus dem Marienstift ein Mörder und Fälscher ist. Könnt ihr euch vorstellen, was das bedeuten würde?» Er schüttelte den Kopf. «Die Kanoniker haben große Macht, und sie sind über jeden Zweifel erhaben. Wenn sich ein schwarzes Schaf unter ihnen verbirgt, werden wir nicht die geringste Möglichkeit haben, es zu finden, geschweige denn zu überführen. Daran wird auch dieser Bruder Christophorus nichts ändern.» Er runzelte die Stirn. «Wenn er nicht sogar selbst in die Sache verwickelt ist.»
    Marysa wehrte erschrocken ab. «Er versucht doch, uns zu helfen. Deshalb hat er dem Marienstift seine Hilfe angeboten.»
    Jetzt verteidigte sie ihn schon wieder, dachte sie bei sich. Aber was, wenn Enno recht hatte? Diese schlimmen Vorfälle hatten sich doch erst ereignet, nachdem Bruder Christophorus aufgetaucht war.
    «Und weshalb läuft er als Ablasskrämer durch die Gegend, wenn er in Wahrheit ein Mitglied der Inquisition ist?»
    Marysa hob die Schultern. «Er ist beides. So hat er es mir erklärt. Das eine schließt doch das andere nicht aus.»
    «Und woher wissen wir, dass er die Wahrheit sagt?», knurrte Enno.
    Marysa griff nach ihrem Becher mit Wein, der schon eine geraume Zeit unberührt auf dem Tisch stand. Sie drehte ihn zwischen den Fingern, trank jedoch nicht. «Er führt eine päpstliche Bulle mit sich, die ihn legitimiert.»
    «Hast du sie gesehen?»
    Marysa schüttelte den Kopf. «Nein, natürlich nicht. Aber sie existiert, und sie ist echt, denn sonst würden doch die Dominikaner in der St. Jakobstraße oder die Domherren ihn nicht als Inquisitor akzeptieren.»
    Enno stand wieder auf und ging zur Tür hinüber. «Ich halte das Ganze für eine sehr gewagte Theorie», erklärte er nachdrücklich. «Und wenn etwas daran sein sollte, haben wir ein größeres Problem, als ihr euch vorstellen könnt. Ich gehe jetzt zur Acht und spreche noch einmal mit Reinold. Und – ehe ich es vergesse – ihr könnt morgen die Beerdigung veranlassen. Thys Hantsen, der Schöffenschreiber, hat mir vorhin mitgeteilt, dass der Rat seine Erlaubnis erteilt hat.» Er nickte den beiden Frauen noch einmal grimmig zu und verließ das Zimmer.
    Marysa atmete auf und entspannte sich etwas. Jolánda nahm ihr den Becher ab und nippte daran. «Du hast gesagt, Bruder Christophorus hat dir etwas auf dem Parvisch gezeigt?»
    Marysa nickte. «Eine weitere gefälschte Reliquie, die er heute Morgen von einem Pilger erhalten hat.»
    Als Jolánda erstaunt die Brauen hob, erklärte sie: «Er hat sie angeblich gefunden und bei Bruder Christophorus gegen einen Ablassbrief eingetauscht.» Sie verzog missbilligend die Mundwinkel. «Unglaublich, was die Menschen alles hergeben, um so eine Ablassurkunde zu bekommen.»
    «Nun, es gibt eben viele verzweifelte Seelen, die sich nicht anders zu helfen wissen», wehrte Jolánda ab.
    Marysa schnaubte abfällig. «Und Männer wie Bruder Christophorus nutzen diese Verzweiflung aus und ziehen den Leuten ihr letztes Geld aus der Tasche. Und wofür?»
    Jolánda zuckte mit den Schultern. «Soweit ich weiß, bezahlt die Kirche von den Geldern den Bau und Erhalt der Kirchen. Und vielerorts werden davon doch auch Straßen und Brücken für die Pilger gebaut.»
    «Ja, damit noch mehr Menschen herkommen und noch mehr Ablassbriefe kaufen.»
    «Und Reliquien und Schreine, vergiss das nicht.» Mit einem beruhigenden Lächeln gab Jolánda ihrer Tochter den Becher zurück. «Was war denn nun mit dieser gefälschten Reliquie?»
    Marysa bemühte sich, ihren Ärger abzuschütteln. «Sie war sehr schlecht gemacht. Vermutlich genau so ein Schweineknöchelchen, wie Klas es bei sich trug. Noch ganz weich an der Bruchstelle, und es roch nach Rauch. Und wenn es jetzt schon

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