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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, trat auf Bardolf zu. «Ist schon gut, Herr. Wir brauchen keine Hilfe. Geht nur Eures Weges.»
    Bardolf blieb stehen. «Ihr dürft zu so später Stunde nicht mehr arbeiten, das wisst Ihr doch. Wenn Euch die Nachtwächter erwischen, bekommt Ihr Ärger.»
    «Das ist unser Problem», knurrte der Mann unwillig. «Wir sind gleich weg.» Damit wandte er sich zu seinem Gefährten um. «Hast du das Ding endlich wieder oben?»
    «Ja doch», antwortete der andere Mann mit merkwürdig heiserer Stimme. «Muss sie aber noch festzurren.»
    Bardolf schüttelte über die Unhöflichkeit der Männer den Kopf und wollte sich schon abwenden, als sein Blick auf die Bruchstücke der Kiste am Boden fiel. Neugierig trat er doch noch einmal näher. «Was ist das denn?», wollte er wissen und bückte sich nach einem der Splitter.
    «Lasst das!», fauchte der schmächtige Mann und schubste ihn mit erstaunlicher Kraft beiseite.
    Bardolf blickte ihn irritiert an. «Das ist doch kein Holz, oder?» Wieder bückte er sich und nahm einen der Späne zwischen die Finger.
    «Ihr sollt das liegen lassen», fuhr ihn der Mann an, und im nächsten Moment traf ihn dessen Faust an der Schläfe.
    Bardolf ging zu Boden und blieb für einen Moment benommen liegen.
    «Was machst du denn da?», hörte er den zweiten Mann aufgeregt flüstern. «Bist du verrückt geworden?»
    «Er wollte rumschnüffeln», flüsterte der mit der Kapuze zurück. «Ist selbst schuld.»
    «Du hast wohl eine Meise», schimpfte der erste krächzend. «Wenn er dich nun anzeigt?»
    «Der?» Der Kapuzenmann lachte gehässig. «Der wird sich schon nicht an uns erinnern, wenn er wieder aufwacht.»
    Im nächsten Moment krachte etwas Hartes gegen Bardolfs Hinterkopf, und es wurde schwarz um ihn.
***
    «Himmel, Tibor, so beeile dich doch!», rief Jolánda ungeduldig. «Es ist schon dunkel. Wir müssen so rasch wie möglich nach Hause.» Sie wandte sich an Marysa, der sie bis jetzt, kurz vor Mitternacht, Gesellschaft geleistet hatte. «Denk daran, morgen als Erstes Vater Ignatius Bescheid zu geben. Ich komme, sobald ich kann, und helfe dir mit den Vorbereitungen für die Beerdigung.»
    «Du könntest auch hier übernachten», schlug Marysa vor, doch Jolánda wehrte ab.
    «Nein, lieber nicht. Du weißt doch, dass ich am besten in meinem eigenen Bett schlafe. Es ist ja nicht weit. Außerdem wird mir die frische Nachtluft guttun.»
    «Wie du willst.» Marysa erhob keine weiteren Einwände. Sie wusste nur zu gut, dass ihre Mutter nicht gerne außerhalb ihres Hauses schlief. «Dann beeilt euch aber jetzt.»
    «Aber ja doch, wenn nur Tibor endlich käme. TIBOR!», rief Jolánda laut in Richtung Küche.
    «Bin schon da, Herrin.» Jolándas kräftiger Knecht, der ihr bereits in ihrer ungarischen Heimat gedient hatte und seit vielen Jahren mit Jolándas ehemaliger Kinderfrau Orsolya das Bett teilte, kam herbeigeeilt. «Ich hab diesen verdammten Stiefel nicht über den Fuß bekommen. Da hat mich eine Wespe gestochen.» Er deutete verdrießlich auf seinen Fußknöchel. «Wollt Ihr denn jetzt noch aufbrechen? Ist schon sehr spät, oder?»
    «Es wird noch später, wenn wir hier weiter herumtrödeln. Los komm, Orsolya wird sich bereits Sorgen machen.» Jolánda umarmte Marysa kurz, aber herzlich. «Bis morgen dann.»
    Marysa verschloss die Tür hinter ihrer Mutter und dem Knecht und ging hinauf in ihre Schlafkammer. Sie stieß die Fensterläden weit auf und freute sich an der frischen, wenn auch nicht wirklich kühlen Nachtluft, die ins Zimmer strömte. Der süßliche Leichengeruch, der inzwischen aus Klas’ Kammer drang, begann sich bereits im Haus festzusetzen. Es war ein Segen, dass sie den Jungen morgen beerdigen lassen durften.
    Marysa stellte das kleine Öllämpchen auf der Truhe neben ihrem Bett ab und begann sich zu entkleiden. Nur in ihr wadenlanges Leinenunterhemd gehüllt, setzte sie sich auf die Bettkante, löste ihre Zöpfe und entwirrte ihre fast hüftlangen dichten Locken mit einem buntbemalten beinernen Kamm.
    Welch ein Ärger, dass Reinold bei der Beerdigung nicht anwesend sein konnte. Und auch wenn Klas nur in sehr kleinem Kreise beigesetzt werden würde, wollte sie gar nicht an das Gerede denken, das sie erwartete. Die Zunft der Schreiner würde natürlich ihre Abgesandten schicken, und diese würden nach der Beisetzung gewiss die Trauergäste in den Goldenen Ochsen zum Leichenschmaus einladen. Da Klas’ Meister dazu momentan nicht in der Lage

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