Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
schon bis in den Himmel, aber ganz weit oben konnte er einen roten Fleck zwischen den Steinen sehen und er schickte ihm all seine Liebe.
Am Abend erreichte er die Baumgrenze. Verkümmerte Fichten und Lerchen trotzten dem eisigen Wind. Leron´das begrüßte sie wie alte Freunde und vertraute ihnen sein Nachtlager an. Doch am darauf folgenden Tag wanderte er wieder oberhalb dieser Grenze entlang. Er hörte das vertraute Flüstern in den Bäumen, aber er war noch nicht bereit, sich von den steinigen Klüften und schneebedeckten Bergwiesen zu trennen und sich somit Almira´das Auge zu entziehen.
Als er am dritten Morgen erwachte, hüllten sich die Berge in einen zarten milchigen Nebel. Nur schemenhaft zeichneten sich die Giganten aus Eis gegen den fast ebenso weißen verschleierten Himmel ab. Zu seinen Füßen breiteten sich dunkle Tannenwälder aus. Hier kehrte Leron´das den verhüllten Gestalten der Berge den Rücken zu und tauchte ein in das vertraute Dunkel der Wälder. Erst jetzt spürte er deutlich den Schmerz, den ihm die Trennung von Almira´da bescherte. Er versank in ihm und ließ sich von ihm tragen, bis er ihn an einem sicheren Ort in seinem Herzen verwahren konnte. Er fragte sich, ob es leichter für sie beide wäre, wenn sie sich einander hingegeben hätten. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass er mit diesem Schmerz zeit seines Lebens umgehen musste, sobald er von diesem Berg hinunter stieg und sie nicht bei ihm war.
Er dachte an Ala´na und Rond´taro. Seit tausend Jahren vereint. Ob es auch nach tausend Jahren noch schmerzte, wenn man sich nicht sehen konnte? Rond´taro hatte Pal´dor oft verlassen, öfter als jeder andere und Ala´na war die Hüterin des Sees, ihr Platz war immer in Pal´dor.
Doch Pal´dor war nicht zu erreichen. Nicht aus Munt´tar und nicht aus Lac´ter, wo sich Rond´taro befand. Trotzdem hatte Leron´das im Herbst mit Ala´na gesprochen, zu einer Zeit, da schon längst keine Nachrichten aus Pal´dor die anderen Spiegel erreichten. Wie machte Ala´na das?
Wie ein Traum erschien ihm seine letzte Begegnung mit ihr. Ein Traum aus einem anderen Leben, einem Leben, in dem es Almira´da noch nicht gegeben hatte. Was war das für ein Leben gewesen? Wieder warf er einen Blick zurück.
„Almira´da", flüsterte er und wusste, dass sie ihn spürte, da ihr Herz immer für ihn offen stand. Sehnsuchtsvoll schloss er die Augen und verharrte für einen Augenblick. Dann sah er wieder nach vorne. Er musste lernen ihre Liebe so in seinem Herzen zu verwahren, dass sie ihm Kraft schenkte und ihm nicht im Wege stand. Er erinnerte sich an die guten Wünsche die Ala´na ihm hinterher gesandt hatte, als er Pal´dor verließ. Damals hatte er gedacht, dass Rond´taro deswegen voller Zuversicht und Kraft war. Doch heute im Schatten der Tannen auf dem weißen Schnee wurde ihm klar, dass es ihre Liebe war, die ihm diese Kraft verlieh. Leron´das ließ den Samen der Sehnsucht in seinem Herzen keimen. Er spürte, wie er gedieh und ein zarter Spross aus ihm erwuchs. Aus dem schmerzhaften Ziehen in seiner Brust wurde Zuversicht. Sein flatterndes Herz bekam eine Heimat, in der es ruhig und ausgeglichen schlagen konnte. Sein Kopf wurde frei von dem brennenden Wunsch den Berghang wieder hinaufzueilen. Seine Liebe zu Almira´da erfüllte jede Zelle seines Körpers und ihre Liebe verflocht sich mit seiner und stärkte ihn. Jetzt konnte er tun, was immer er tun musste. Sie war sein Antrieb und seine Kraft, sie war sein Mut und seine Hoffnung. Er atmete tief ein und aus, dann lachte er und lief leichtfüßig den Berghang hinunter. Sie waren zwei, die eins waren und sie waren frei.
Am Abend erreichte er die ersten höher gelegenen Bergdörfer und fragte nach einer Unterkunft für die Nacht. Befremdet sah ihn der Bauer an, denn er konnte kaum glauben, dass zu dieser Jahreszeit ein Reisender bei ihm einkehrte. Doch die Menschen hier oben redeten nicht viel, und so legte er ihm einen Strohsack in die Ecke der Stube, und wünschte ihm gute Nacht.
Zwei Tage später erreichte Leron´das ein Tal. Er folgte zwei weitere Tage dem Fluss, der sich in einem Bett aus Eis zwischen den herabstürzenden Berghängen schlängelte, in eine immer weiter werdende Ebene. Dort mündete der Fluss in einen breiten Strom, der in einem quer verlaufenden Tal seinen Weg Richtung Meer suchte. Leron´das überquerte den Strom und erklomm den letzten Bergriesen, der ihn von den Vorgebirgen von Corona trennte.
Am Morgen des zehnten Tages
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