Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
Wortgemenge vor dem großen Tor.
Eine einsame Frau stand mit ihrem Säugling vor dem Tor und bat um Einlass. Sie hielt dem Kirchendiener das Kind entgegen und weinte.
„Bitte", jammerte sie. „Was kann denn dieses Kind dafür, dass sein Vater mich nicht will."
„Eine Hure bist du und hast vor Gottes Angesicht nichts zu suchen. Nimm deinen Bastard und geh …"
„Was ist hier los?" fragte der Priester, den der Lärm angelockt hatte.
„Das Weib da will ihren Bastard weihen lassen, Herr Dekan", schnaubte der Kirchendiener.
„Wer ist der Vater, gute Frau?", fragte der Dekan.
„Der Hansgar. Er hat versprochen mich zu heiraten, aber jetzt hat er eine andere … Was kann denn dieses Kind dafür?" Sie schluchzte herzerweichend.
„Was ist mit deinem Vater Mädchen, kann er mir das Kind nicht bringen?" Ihre Worte waren kaum noch verständlich, aber so wie sie weinte, vermutete Leron´das, dass ihr Vater sie verstoßen hatte.
Leise sprach der Dekan mit dem Kirchendiener.
„Nein Hochwürden", rief der empört. „Damit will ich nichts zu tun haben."
Der Dekan trat einen Schritt vor die Tür und sah sich suchend um. Er wirkte erschöpft. Von seinem verborgenen Winkel aus konnte Leron´das erkennen, dass er nach jemandem Ausschau hielt, der dieses Kind zur Weihe tragen konnte.
Es war dem Elben zwar unverständlich, dass eine Mutter, der in der menschlichen Gesellschaft die ganze Fürsorge für ihre Kinder oblag, dies nicht tun konnte, aber das Elend der Frau berührte ihn. Er musste an die Geschichte denken, die ihm Frendan´no vor wenigen Tagen erzählt hatte. Leron´das trat aus dem Schatten.
„Es wäre mir eine Ehre, dieses Kind in die Kirche zu tragen", sagte er. Der Dekan, der ihn jetzt erst bemerkte, sah ihn überrascht an. Dann lächelte er freundlich.
„Gott wird sich an Euch erinnern, wenn der Tag der Abrechnung kommt. Wie ist Euer Name?"
„Leron von Plop", antwortete Leron´das und neigte den Kopf.
Die Frau machte Anstalten vor ihm niederzuknien und seine Hand zu küssen, aber Leron´das legte seine Hände um ihre Oberarme und richtete sie auf.
„Wie heißt du?", fragte er.
„Erika, Herr" schniefte sie. „Und das ist Marie."
„Gib sie mir."
Die Frau drückte ihm das Bündel in den Arm. Das Kind roch nach saurer Milch und Ziegen, aber es lächelte ihn aus einem runden, rosigen Gesicht zahnlos an und Leron´das lächelte entzückt zurück.
Der Dekan empfing sie vor dem Altar. Er nahm das Kind aus Leron´das Händen. Der Chor war nicht mehr da. Das Gotteshaus leer. Nur der Dekan, die Frau, das Kind und Leron´das. Nach der stillen Zeremonie trug der Dekan den Namen des Kindes neben dem seiner Mutter in das rote Buch ein.
„Ihr habt heute einem unschuldigen Kind den Weg zum Himmelreich geebnet, Herr von Plop", bemerkte er, als er die Feder zur Seite legte.
„Keinem irdischen Wesen sollte dieser Weg verwehrt sein", antwortete Leron´das.
„Ihr sprecht mir aus der Seele." Der Dekan lächelte müde. „Ihr seid nicht aus Corona."
„Nein", sagte Leron´das. „Ich komme aus der Nähe von Waldoria. Wenn Ihr in den nächsten Tagen Zeit für mich hättet, wäre ich Euch sehr verbunden."
„Ich werde mir die Zeit nehmen."
Erika kniete vor dem Dekan nieder und küsste seine Hand, dann nahm sie dankbar auch Leron´das Hand, aber der richtete sie auf.
„Ich habe gehört, was Frauen in deiner Situation erdulden müssen und ich möchte dir meine Hilfe anbieten. Der Ziegenstall, in dem ihr beide wohnt, kann auf Dauer nicht gut sein für dich und dein Kind."
„Aber Herr, woher wisst Ihr …?"
„Es ist nicht viel, was ich für dich tun kann, aber das, was ich kann, werde ich tun. Heute habe ich einen Teil der Verantwortung für dein Kind auf mich genommen."
In den nächsten Tagen kümmerte sich Leron´das in der Vorstadt darum, dass Erika ein ordentliches Zimmer im Haus eines Kürschners bezog, dessen gebrechliche Frau eine Hilfe in im Haushalt benötigte. Als er damit fertig war, ging er ohne weitere Umwege zur Kirchenverwaltung und fragte nach dem Dekan. Er musste nicht lange warten. Der Dekan hielt sein Wort und empfing ihn sofort. In seinem schwarzen Gewand wirkte er unscheinbar, aber seine Augen leuchteten klug und er lächelte erfreut, als er Leron´das sah.
„Der Wohltäter aus Waldoria", grüßte er und streckte ihm die Hand entgegen. „Kommt herein. Darf ich Euch den Mantel abnehmen." Er griff nach dem Umhang, der über Leron´das Arm hing, und hängte ihn an einen Haken
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