Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
heißt, Helena lebt immer noch unter den Menschen, obwohl sie eine von uns hätte werden können?"
„Das Leben eines Menschen ist kurz. Ich habe meine Tochter begraben. Sie liegt hier unter diesem Stein." Eine Träne löste sich aus Frendan´nos Augen und fiel als Eisperle in den Schnee.
„Als Helena nach Munt´tar kam, war sie eine alte Frau. Das Leben hatte ihr nur noch diesen einen Ausweg gelassen. Aber sie stand oft hier an diesem Hang und sah nach Norden, wo sie ihre Enkel und Urenkel vermutete. Ich habe ihren Körper hier begraben. Es war der einzige Ort, der ihr hier oben etwas bedeutete. So oft ich kann, komme ich hierher, um ihr meine Augen zu leihen und für sie nach Norden zu ihren Lieben zu schauen. Zu meinen Lieben." Bekümmert irrte sein Blick über den Horizont.
„Enkel, Urenkel?", fragte Leron´das.
Frendan´no lächelte. „Meine Tochter Helena heiratete einen Menschen. Sie hatte drei Kinder. Eine Tochter und zwei Söhne. Vor dreiunddreißig Jahren raffte eine Seuche die Hälfte der Stadtbevölkerung von Corona dahin. Von meinen Lieben überlebten nur Helena und zwei ihrer Enkeltöchter. Die Mädchen waren noch sehr klein. Felicitas war vier Jahre alt, Josephine erst zwei. Sie wuchsen bei Helena auf und sie brauchten mich so sehr, wie ihre Großmutter mich einst gebraucht hatte."
Leron´das lauschte gespannt. Das Leben der Menschen schien ihm vergänglicher denn je. Dennoch spürte er den Schatz den Frendan´no mit sich trug. „In wenigen Jahren wurde dir das zuteil, was sich viele der Älteren tausend Jahre lang vergeblich wünschen. Du sahst deine Kinder und Kindeskinder heranwachsen …"
„Und sterben", beendete Frendan´no resigniert den Satz. „Wenn man sein Schicksal an das der Menschen bindet, kommt einem die Ewigkeit wie ein Fluch vor. Ich fühle mich wie ein Greis und bin es doch nicht. Ich sah meine Geliebte sterben, ich begrub mein Kind und meine Enkel …"
Leron´das legte mitfühlend seine Hand auf Frendan´nos Schulter. „Der Tod gehört zu den Menschen, so wie die Ewigkeit zu uns gehört."
„Und obwohl sie ihn fürchten, beschwören sie ihn immer wieder herauf. Aber wie mir scheint, verabscheuen sie die Ewigkeit."
„Sie sind ein unruhiges Geschlecht." Leron´das lächelte leicht. „Oft gehen sie den Weg, den sie am meisten fürchten, und stellen sich doch tapfer seinen Gefahren."
„Das tun sie", bestätigte Frendan´no. „Wo befinden sich deine Kindeskinder heute?", fragte Leron´das.
Frendan´no sah lange in die Ferne, schließlich deutete er erst nach Norden und dann nach Westen. „Felicitas liegt auf dem Friedhof in Corona neben ihrer Mutter und ihrem Gatten. Josephine folgte ihrem Herzen nach Waldoria. Sie heiratete einen Schmied."
Leron´das spürte, wie sein Herz einen Moment lang aussetzte und dann losraste. „Feodor?", fragte er.
Frendan´no sah ihn überrascht an. „Das war sein Name. Woher weißt du …?"
Leron´das sprang auf. Worte formten sich in seinem Kopf, aber sie fanden nicht den Weg zu seinen Lippen. Dinge verschwammen und flossen zusammen.
„Ich traf Josephine in Waldoria", sagte er schließlich. „Sie hat dich mit keinem Wort erwähnt. Aber das erklärt mir jetzt Philips Reaktion auf die Klinge des Zauberers." Unruhig lief er auf dem Felsplateau auf und ab.
Frendan´no sah ihn befremdet an. „Du hast Josephine getroffen", stammelte er. In seinem Gesicht änderten sich die Gefühlsregungen wie das Wetter in den Bergen. „Erzähl mir alles, was du weißt. Es ist lange her, da ich sie und das Kind zum letzten Mal sah."
Leron´das schluckte die Panik, die in ihm aufstieg, seit er wusste, dass elbisches Blut in Philips Adern floss, hinunter. Die meisten Ungereimtheiten erhielten heute einen Sinn. Die unangenehme Begegnung mit dem Zauberer in Saulegg, die guten Wünsche, die Philip ihm hinterher gesandt hatte. Nicht zuletzt die Nachricht mit dem Wind, die Leron´das empfangen hatte, als Philip das Wildmoortal erreicht hatte.
Langsam begann er zu erzählen, wie er auf der Suche nach Lume´tai Josephine und Feodor gefunden hatte. Er erzählte von deren Söhnen, seiner Suche nach Philip, und er erwähnte, dass er überzeugt war, Nate´re in Josephine erkannt zu haben.
Frendan´no hielt seine Augen geschlossen. Als er sie öffnete, hatten sie die Farbe eines Moorsees.
„Ich danke dir Leron´das, dass du zu mir gekommen bist. Ich danke dir, dass du hier an diesem Ort zu mir gekommen bist. Wusstest du, dass die Menschen oft an den
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