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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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hatte, herausputzen, als erwarte er König Philipp II. persönlich. D’Anastro hatte, obgleich noch immer verschuldet, einen französischen und einen venezianischen Koch eingestellt, die nun miteinander wetteiferten, um sich in der Herstellung köstlicher Pasteten, von Zuckerkuchen, Fleisch- und Fischgerichten zu überbieten. Ihr Auftrag war, einen Gaumenschmaus anzurichten, der eines Fürsten würdig war. Von der Einladung ins Haus des Kaufmanns sollte Brüssel noch lange sprechen, und diejenigen, die nicht dabei waren, sollten vor Neid platzen.
    Seit den frühen Morgenstunden drehten sich Rebhühner, Kapaune, Spanferkel und sogar ein junger Mastochse an den Bratspießen in der Küche, die sich ein einem Gewölbetrakt befand. Um das Fleisch zart werden zu lassen, wurde es in regelmäßigen Abständen von Küchenmädchen mit Bratensaft übergossen. Gehilfen putzten gewaltige Berge von Gemüse, hackten Kräuter, knackten Nüsse oder halfen, Früchte zu kandieren. Unter Aufsicht des venezianischen Küchenmeisters kneteten einige Mädchen Teig für eine Süßspeise, die niemals zuvor in Brüssel serviert worden war. Der Kellermeister, zuständig für die Wein- und Biervorräte, war im Auftrag seines Herrn eigens in einige flandrische Dörfer gereist, in denen die besten Brauer lebten, um dort dunkles Kräuterbier zu kaufen, das d’Anastro, obgleich es ihm selbst nicht schmeckte, seinen Brüsseler Gästen anzubieten gedachte.
    Der Hausherr stolzierte mit erhobenem Haupt durch die geräumige Tafelstube und sah den Mägden dabei zu, wie sie hohe Silberbecher und italienische Gabeln auf Hochglanz brachten. Er genoss die Betriebsamkeit. Neben dem ausladenden Kamin, über dem zwei gekreuzte Säbel hingen, lag das Brennholz, auf den kunstvoll geschmiedeten Eisendornen der Leuchter steckten zwei Pfund schwere Wachskerzen, deren Schein nicht nur den Wein in den Bechern funkeln lassen, sondern auch die eleganten flämischen Wandbehänge zur Geltung bringen würde.
    Der Unterhalt des hohen Giebelhauses mochte eine Menge Geld verschlingen – Geld, das er momentan nicht besaß, doch er zweifelte keinen Moment daran, dass er eine gute Wahl getroffen hatte. Sein Kontor lag nicht nur in nächster Nachbarschaft zum Markt und dem Haus der Herzöge von Brabant, auch die Zunfthäuser ließen sich von hier aus bequem zu Fuß erreichen. Blickte er aus einem der Bogenfenster, sah er die stolz geschwungenen Dachornamente und den verschwenderisch verzierten Erker des Goldenen Boots , in dem die Schneiderzunft sich versammelte. Keine fünf Schritte weiter erhob sich die prächtige Fassade der Taube , altehrwürdiger Sitz der Brüsseler Kunstmaler, ein Stück weiter reihten sich die Zunfthäuser der Bierbrauer, Fetthändler und Schlachter aneinander. Noch hatten kein Gildemeister und kein königlicher Beamter den zugereisten Spanier auch nur eines Blickes gewürdigt, sooft er vor ihnen auch den Hut gezogen hatte. Sie misstrauten ihm, betrachteten ihn als nicht ebenbürtig und hatten daher seine Einladungen hochmütig ausgeschlagen. Ob sie über seine wahre finanzielle Situation im Bilde waren? So etwas sprach sich in Brüssel schnell herum.
    Ein Lächeln umspielte die Lippen des Kaufmanns, als er daran dachte, dass sich das Verhalten der Brüsseler Nachbarn bald ändern würde. Señor d’Anastro war ein gedrungener Mann von vierzig Jahren, dessen deutlicher Bauchansatz ihn zu weitgeschnittener Kleidung verführte, während die aus feinen Spitzen gefältelte Krause den Eindruck vermittelte, sein kahler Kopf ruhe auf einem Tablett wie das Haupt Johannes des Täufers. Blickte man ihm ins Gesicht, so gewann man den Eindruck, der Kaufmann sei träge und schläfrig, was auf seine stets halbgeschlossenen Lider zurückzuführen war. Ein spröder Zug, der um d’Anastros Mund lag, deutete indes an, dass er schlauer war, als er sich gab. Wäre da nicht seine Neigung zu waghalsigen und nicht immer sauberen Geschäften gewesen, zu der sich auch eine Leidenschaft für Glücksspiele jeder Art gesellte, hätte er sich als erfolgreicher Kaufmann ein angenehmes Leben leisten können. So aber war er gezwungen, von Stadt zu Stadt zu reisen und, obwohl kein junger Mann mehr, stets wieder von neuem anzufangen. Nachdem er Spanien hatte verlassen müssen, wo man ihn wegen Betrugs suchte, hatte er einige Male versucht, schnell an viel Geld zu kommen. Zuletzt in Antwerpen, wo ihm das Kopfgeld auf den Prinzen von Oranien durch die Unfähigkeit seines Gehilfen,

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