Die Stadt der schwarzen Schwestern
schützen.
«Ich weiß von Beelken nur sehr wenig», sagte Griet schließlich. «Eigentlich nur das, was mir meine Schwiegermutter berichtet hat. Vermutlich war es ein Fehler, dass ich mich nicht mehr mit ihr befasst habe, schließlich vertraue ich ihr mein Kind an. Beelken wuchs im Hospital zu unserer lieben Frau hinter dem Kloster St. Magdalena auf, wo sie sich mit Gottes Hilfe von einer schweren Krankheit erholte. Damals war sie noch ein kleines Kind. Sie hatte ihre Eltern und alle, die ihr nahestanden, verloren, sie war die einzige Überlebende der Seuche. Die schwarzen Schwestern boten ihr an zu bleiben und brachten ihr im Laufe der Jahre alles bei, was sie über Krankenpflege und die Wirkung verschiedener Heilkräuter wussten. Sie half den frommen Frauen bei der täglichen Versorgung der Menschen im Spital und stand den Schwestern so nahe wie kein anderer. Sie muss wissen, wer der Pilger ist und wie er sich heute nennt.» Sie machte eine Pause und dachte nach. «Als ich nach Oudenaarde kam, wohnte Beelken schon in der Teppichweberei. Sie hat nie über einen Mann gesprochen, der eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternommen hatte. Warum auch? Sie hielt ihn bislang nicht für eine Bedrohung. Vermutlich ist er für sie nur ein netter alter Bekannter, mit dem sie ein paar Worte wechselt, wenn sie ihm auf der Straße oder in der Kirche begegnet. Er ist ein Überlebender wie sie, das verbindet die beiden miteinander. Zumindest war das so, bevor die schwarzen Schwestern auf Wunsch der Fürstin nach Oudenaarde zurückkehren sollten. Inzwischen ist aber viel geschehen, und der Pilger könnte seine einstige Pflegerin als Bedrohung empfinden. Sie könnte ihn doch jederzeit durch eine unbedachte Bemerkung entlarven, zumal er sicher weiß, dass ich mit Alessandro Farneses Billigung nach den schwarzen Schwestern suche. Das wird er nicht riskieren. Er muss sie sich vom Hals schaffen.»
Griet sprang auf. Energisch wischte sie sich die Tränen aus den Augen. «Ich habe mein Kind in Beelkens Obhut zurückgelassen. Das war ein Fehler. Ich kehre auf der Stelle nach Oudenaarde zurück.»
«Und was wollt Ihr dort dem Statthalter erzählen?», fragte Don Luis. «Dass Ihr die Gräber der schwarzen Schwestern gefunden habt? Darauf wartet er doch nur. Das wird ihm den willkommenen Anlass bieten, in Flandern jeden zu vernichten, der sich ihm in den Weg stellt, seine eigene Mutter eingeschlossen. Was soll dann aus den Menschen werden, über die Fürstin Margarethe momentan ihre schützende Hand hält? Nicht jeder hat die Möglichkeit, mit einem Fluchthelfer wie diesem Tobias außer Landes zu gehen, weil er auf einer Todesliste des Statthalters steht.»
Griet verzog gequält das Gesicht. Was Don Luis sagte, war vernünftig. Viel zu vernünftig für ihren Geschmack. Was ging sie Margarethe von Parma an, davon abgesehen, dass sie bei ihr tief in der Kreide stand? Die Fürstin hatte in ihrer Zeit als Landvögtin nicht die nötige Härte aufgebracht, um in den Niederlanden für Frieden zu sorgen, nun durfte sie sich nicht darüber beklagen, wenn ihr Sohn mit der Duldung Spaniens nach der ganzen Macht griff. Andererseits verstand sie auch, dass Don Luis tief in der Schuld der Fürstin stand und sich dem Auftrag, den er von ihr bekommen hatte, verpflichtet fühlte. Wenn sie beide ab jetzt getrennte Wege einschlugen, würde sie ihre Familie möglicherweise aus Oudenaarde hinausschaffen können. Doch was geschah dann? Auf die Hilfe der Fürstin konnte sie kaum noch zählen, wenn sie ihr in einem entscheidenden Moment die Gefolgschaft aufkündigte.
«Also gut, dann holen wir uns den Brandstifter und bringen ihn vor den Statthalter, damit er ein Geständnis ablegt», sagte sie bitter. «Aber ich schwöre Euch, Don Luis: Wenn meinem Jungen in der Zwischenzeit etwas zustößt, werde ich Euch das niemals verzeihen!»
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Kapitel 27
Bereits am folgenden Abend bot sich Griet und Don Luis eine Gelegenheit, in das Haus des Spaniers d’Anastro einzudringen. Balthasar hatte in Erfahrung gebracht, dass der Kaufmann eine kleine Gruppe auserlesener Gäste in sein Haus geladen hatte, die er groß zu bewirten gedachte. Als Fremdem in der Stadt war d’Anastro daran gelegen, Kontakte zu den hiesigen Gilden und Zünften, zu Edelleuten und Angehörigen des hohen Magistrats zu knüpfen, um möglichst bald das Bürgerrecht in Brüssel erwerben zu können. Um seine Gäste zu beeindrucken, ließ er das Haus, das er am Großen Markt gemietet
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