Die Stadt der schwarzen Schwestern
ihn wütend. Und unberechenbar. Er würde bestimmt keinen Finger rühren, um sie bei der Suche nach Basse, Beelken und ihrem Vater zu unterstützen. Für ihn war Pamela eine Lügnerin.
Griets Annahme sollte sich als wahr erweisen.
«Ihr habt wahrhaftig Nerven, mich so lange warten zu lassen, Verehrteste.» Der Fürst von Parma empfing sie und Cäcilia zwar sofort, nachdem ein junger spanischer Offizier ihre Ankunft gemeldet hatte, doch der Ton, in dem er sie willkommen hieß, klang vorwurfsvoll und schuf alles andere als eine entspannte Atmosphäre. Jeder Blick des Feldherrn drückte Missbilligung aus. Griet fand, dass Alessandro Farnese blass aussah. Sein dunkler Bart ließ das schmale Gesicht mit den stechenden kleinen Augen, die für gewöhnlich voller Tatendrang funkelten, kränklich aussehen. Farnese hatte gehofft, die Weihnachtsmesse im wärmeren Parma oder wenigstens in Brüssel oder Gent feiern zu können. Dies wäre ein Erfolg gewesen, auf den er mit Stolz hätte schauen können. Doch die flämischen Städte leisteten nach wie vor erbitterten Widerstand gegen die spanischen Truppen, und Prinz Wilhelm von Oranien stellte mit seiner neu ausgerufenen Republik im Norden einen Gegner dar, der ihm zu schaffen machte. Zudem verließen nach wie vor Scharen von Handwerkern und Kaufleuten ihre flandrische Heimat und begaben sich ins Ausland, was die spanische Krone um ihre Einnahmen brachte. Die Rückkehr der Teppichweberwitwe war angesichts all dieser Probleme bedeutungslos. Es fiel Farnese nicht einmal ein, sich nach seinem früheren Vertrauten Don Luis zu erkundigen.
Als Griet ihm von dem Überfall auf die schwarzen Schwestern berichtete, brauste er auf. «Ich habe es gewusst, dass die Calvinisten sie umbringen würden, diese Hunde. Ich werde sogleich nach de Lijs, Eurem neuen Bürgermeister, schicken lassen.» Er betonte Namen und Amt des Weinhändlers mit spürbarer Geringschätzung.
Griet zuckte zusammen. Ihr Blick fiel auf die Alexanderteppiche, mit denen der Statthalter die Wände seiner Amtsräume im Palast de Lalaing geschmückt hatte. Als sie die kostbaren Stücke erkannte, schnürte es ihr beinahe den Atem ab. Sie hatte ihr Werk diesem Mann in den Rachen geworfen, doch was hatte es ihr eingebracht? Ihre ehrgeizigen Pläne waren mit einem Streich zunichte gemacht worden. Das Geschäft war ruiniert, ihre Familie wurde von einem Wahnsinnigen festgehalten.
Cäcilia hatte bislang unbeeindruckt geschwiegen. Nun ergriff sie das Wort und erklärte in fast beiläufigem Ton, warum sie in die Stadt gekommen war. Dabei vollbrachte sie ein erstes Wunder, denn Farnese ließ sie ausreden, ohne in die Luft zu gehen. Er schien ihr zu glauben und sie als Augenzeugin der Geschehnisse auf dem Herrengut von Elsegem anzuerkennen.
«Meine Mutter wird nicht gerne hören, dass die schwarzen Schwestern wegen eines alten Buches sterben mussten, das sie nicht herausrücken wollten», sagte Farnese, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. Er griff nach einem Pergament auf seinem Pult, welches das Siegel Philipps II. trug. «Und ihr Bruder, der König, auch nicht.»
«Es ist zweifellos eine verworrene Geschichte, Herr», gab Cäcilia zu. Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
«Verworren ist gar kein Ausdruck. Ihr hättet mir das Buch übergeben müssen. Wenn es so alt und kostbar ist, wie Ihr sagt, gehört es Seiner Majestät, dem König von Spanien. Ihr hattet kein Recht, es außer Landes zu bringen.»
Cäcilia schmunzelte. «Aber Herr, gewinnt man mit Büchern Kriegszüge?»
Griet hielt die Luft an. Sie rechnete mit einem weiteren Zornausbruch Farneses, aber zu ihrer Überraschung blieb dieser aus. Stattdessen gab der Herzog nur ein trockenes Lachen von sich. Er schien sich daran zu erinnern, dass Cäcilia, trotz ihrer schäbigen Aufmachung, die Witwe eines geachteten spanischen Granden war.
«Ohne das Buch ist Eure Zeugenaussage unvollständig, meine Liebe», entschied er dann. «Ich will Euch glauben, dass die Stadt Oudenaarde keine Schuld am Tod Eurer Mitschwestern trifft, aber wenn es stimmt, was Ihr sagt, gibt es wenigstens einen Mörder inmitten dieser Mauern. Ich will ihn haben, hört Ihr?» Verärgert warf er den Brief des Königs zurück auf das Schreibpult. «Er soll bezahlen!»
«Dann helft uns», bat Griet. «Lasst Pamela Osterlamm frei. Sie hat mit der Sache nichts zu tun.»
Der Statthalter blickte sie ungnädig an. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, ob er die lästige Bittstellerin gleich vor die
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