Die Stadt der schwarzen Schwestern
Tür setzen oder ihrer Bitte entsprechen würde. Als er nach seinem Leibdiener rief, kam es Griet wie eine Erlösung vor. Allerdings erfüllte Farnese ihren Wunsch nicht vorbehaltlos.
«Ich bin immer noch der Meinung, dass in der Stadt Verschwörer lauern, die den wahren Glauben nur zum Schein angenommen haben, in Wahrheit aber mit den Rebellen im Norden gemeinsame Sache machen», sagte er eisig. «Ich habe die kleine Osterlamm bislang nicht hinrichten lassen, weil sie für mich als Geisel wichtiger war. Keine der Gilden und Zünfte hat es gewagt, meine Anordnungen in Frage zu stellen, solange sie im Kerker saß. Um die Ruhe auch weiterhin aufrechtzuerhalten, werde ich das Mädchen in die Obhut der Beginen geben. Mag die alte Uta sich ihrer annehmen.»
Griet atmete auf. Es ziemte sich nicht, den Statthalter darauf anzusprechen, doch als Griet den Raum verließ, konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine Laune sich gebessert hatte.
Zwei Stunden später saßen Griet und Cäcilia der jungen Pamela Osterlamm gegenüber. Das Gesicht des Mädchens war so weiß wie der dünne Leinenkittel, der ihr um die abgemagerten Fußknöchel schlotterte. Ihr Haar war noch feucht und ungekämmt, duftete aber angenehm nach Honig und Rosenblüten. Nach ihrer Freilassung, die für Pamela völlig unerwartet gekommen war, hatten die Beginen ihr sogleich Wasser im Kessel heiß gemacht, damit sie im Badehaus den Schmutz und das Ungeziefer ihrer Gefangenschaft loswerden konnte. Die Vorsteherin Uta hatte persönlich eine Schlafkammer für sie vorbereitet und für eine kräftige Mahlzeit aus Käse, Räucherschinken und heißem Bier mit Kirschsaft gesorgt. Aber Pamela war viel zu durcheinander, um auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen. Sooft sie Griet ansah, brach sie in Tränen aus. Immer wieder beteuerte sie, dass sie niemanden und am allerwenigsten ihre Brüder Adam und Coen getötet habe.
«Danke Gott, dass du durch eine Laune des Statthalters nun wieder bei uns bist», brummte Uta. Sie gab sich betont schroff, ließ aber gegenüber Griet und Cäcilia durchblicken, dass sie das Mädchen unter ihre Fittiche genommen hatte und nur ungern duldete, dass die beiden Frauen sie befragen wollten, bevor sie gegessen und geruht hatte.
Pamela zuckte die Achseln. «Ich bin nicht müde, Meisterin Uta. In meinem Kerker hatte ich genügend Zeit zu schlafen.» Zaghaft suchte sie den Blick der älteren Frau mit dem abweisend strengen Gesicht. «Darf ich bei den Beginen bleiben?» Die Erschöpfung ließ ihre Stimme zu einem bloßen Hauch werden. Die Begine runzelte kurz die Stirn, dann aber nickte sie. Wenn es ihrer Meinung nach jemand verdiente, auf einem ihrer Höfe Aufnahme zu finden, dann war es Pamela. Gleichgültig, wie hoch die Mitgift war, die sie einbrachte.
«Und Ihr seid Euch wirklich sicher, dass es meine Dienstmagd Beelken war, mit der Ihr im Keller der Teppichweberei gesprochen habt?», hakte Griet nach. «Ist Euch sonst noch etwas aufgefallen? Bitte denkt nach, jede Einzelheit könnte wichtig sein.»
Pamela stand auf und lief unruhig in der Kammer auf und ab. «Das habe ich doch schon getan. Wieder und wieder. Ich könnte vergehen bei dem Gedanken, dass ich mich in die Truhe zu den sterblichen Überresten meiner Brüder gequetscht habe. Ich hatte solche Angst, dass der Mann auch mich ermorden würde. Und er hätte es ohne zu zögern getan, davon bin ich überzeugt.»
«Ihr seid die Einzige, die ihn gesehen hat und noch am Leben ist», sagte Cäcilia ruhig. «Ihr müsst ihn uns beschreiben, und zwar so deutlich, wie Ihr nur könnt.»
«Unmöglich, ich habe gar nichts gesehen! Beschreibt Ihr ihn doch!»
«Die Männer, die meine Mitschwestern in Elsegem überfielen, verbargen ihre Gesichter hinter Masken. Sie handelten im Auftrag des Pilgers, genauer gesagt, seines spanischen Handlangers. Aber er war nicht dabei. Er musste in Oudenaarde bleiben, um den Schein zu wahren.» Sie ging auf Pamela zu und legte ihr in einer mütterlichen Geste einen Arm um die Schultern. Uta runzelte die Stirn, schritt aber nicht ein.
«Ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, die schrecklichsten Momente Eures Lebens ins Gedächtnis zurückzuholen, aber wir können Griets kleinen Jungen nur finden, wenn Ihr Euch überwindet. Bitte, Pamela, versucht es. Griet zuliebe.»
Pamela bewegte den Kopf, aber ehe sie ihn schüttelte, verharrte sie plötzlich. Sie entzog sich Cäcilia und trat ans Fenster, hinter dem der kleinere der beiden Höfe des
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