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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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her, dass er sich auf dem Rathausplatz an sie geklammert hatte, weil die Angst vor den Spaniern ihm die Kehle zugeschnürt hatte. Damals hatte er ihr den Vorzug vor seiner jammernden Frau gegeben und sich von ihr trösten lassen, nun aber, wo es ihm wieder besser ging, behandelte er sie wie ein aufsässiges Kind. Durfte er ihr die Alexanderteppiche wirklich wegnehmen und ihren Erlös in die eigene Tasche stecken? Bei dem Gedanken überlief es sie heiß und kalt. Fieberhaft überlegte sie, an wen sie sich wegen eines Rats wenden konnte. Der junge Spanier fiel ihr ein, dieser Don Luis. Er hatte sich bei ihrer ersten Begegnung als einen Mann des Rechts bezeichnet, was ihr allerdings recht großspurig vorgekommen war. Sie verwarf den Gedanken so rasch, wie er ihr gekommen war. Vermutlich war der Spanier nur ein Aufschneider, der sie noch dazu in eine unmögliche Lage gebracht hatte. Heilig schien ihm nichts zu sein. Nach dem, was heute vorgefallen war, würde er ihr ohnehin nicht helfen, im Gegenteil. Don Luis würde sie auslachen und fortschicken. War nicht sogar der Vorschlag, ihre Alexanderteppiche nach Spanien zu bringen, um dem König eine Freude zu machen, von ihm gekommen?
    Als habe Frans ihre Gedanken erraten, brauste er auf: «Keine Angst, Griet, niemand hat vor, dich zu bestehlen. Du wirst das Geld für die Teppiche später zurückerhalten, Florin um Florin. Sobald unsere neue Manufaktur genügend abwirft. Einstweilen solltest du dankbar sein, dass du auch künftig bei uns ein Dach über dem Kopf haben wirst.»
    «Von welcher neuen Manufaktur redest du?», wollte Griet wissen. Eine böse Vorahnung befiel sie. Die Blicke, die Frans und Hanna sich zuwarfen, gefielen ihr nicht. Die beiden hatten etwas ausgeheckt.
    Hanna wandte sich von ihrer Herdstelle ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit einem triumphierenden Blick funkelte sie die Frau ihres Sohnes an. Schon lange hatte Griet sie nicht mehr so selbstsicher erlebt. Sie spürte, wie ihr Mund beim Anblick der alten Leute trocken wurde. Was um alles in der Welt hatten sie vor?
    «Dir sollte doch klar geworden sein, dass wir in Oudenaarde keine Zukunft mehr haben», rief Hanna. «Du hast unseren Sohn der Lächerlichkeit preisgegeben, weil du glaubtest, trotz deines lahmen Arms in der Weberei arbeiten zu müssen. Du hättest hören sollen, wie die Leute hinter deinem Rücken über dich lachten.»
    «Aber das ist nicht wahr. Wer soll das getan haben?»
    «Spielt das denn noch eine Rolle? Du hast Willem vergrault. Er fühlte sich nicht mehr wohl im eigenen Haus, deshalb ist er Osterlamms Aufruf, die Mauern zu verteidigen, bereitwillig gefolgt. Ich habe gespürt, dass ihm vor seinem Tod etwas auf der Seele lag, aber er traute sich nicht, darüber zu sprechen. Daran bist du schuld.» Hanna hob drohend den Zeigefinger. «Nun wirst du der Familie gehorchen! Du wirst dich fügen und aufhören, Schwierigkeiten zu machen.»
    Frans räusperte sich. Die anklagenden Worte seiner Frau schienen ihm zu stark zu sein, doch er pflichtete ihr bei. «Wir haben beschlossen, die Stadt zu verlassen und in Antwerpen eine Teppichweberei aufzubauen. Antwerpen fiel nach der großen Plünderung wieder den Unseren in die Hände. Der Seehandel blüht auf, die Stadt verfügt über einen der größten Häfen der Welt, größer als der von London. Antwerpen hat eine Burg und starke Mauern, viel stärkere als Oudenaarde, Brügge oder Gent. Damals, vor sechs Jahren, fiel die Stadt durch Verrat. Das wird nicht noch einmal geschehen. An Antwerpen werden sich die Spanier die Zähne ausbeißen. Und wir werden die schönsten Wandteppiche der Welt dort weben.»
    Hanna nickte. «Adam Osterlamm hat auch gesagt, dass schon zahlreiche Kunsthandwerker ihr Bündel geschnürt haben, um fortzuziehen. Aus der Sint-Lucas-Gilde sind schon die ersten abgewandert. Es werden täglich mehr, die ihre Häuser zurücklassen, um in Antwerpen oder in Holland Zuflucht zu suchen. Vor acht Tagen haben wir Adriaan und Festus, unsere beiden jüngsten Gesellen, losgeschickt, damit sie sich in Antwerpen umschauen und ein geeignetes Anwesen für uns suchen.»
    Frans stand schwerfällig von seinem Schemel auf und ging auf Griet zu. Unbeholfen legte er ihr einen Arm um die Schultern. «Hanna meint es nicht so», raunte er ihr zu. «Sie ist nur müde und unsicher. Das sind wir alle. In unserem Alter sollten wir solch ein Wagnis vielleicht nicht auf uns nehmen, aber …» Er machte eine knappe Handbewegung, die seine

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