Die Stadt der schwarzen Schwestern
Hilflosigkeit treffend beschrieb. «Die Leute hier trauen uns nicht mehr. Sie wenden den Blick ab, wenn ich auf der Gasse an ihnen vorübergehe. Die Weber laufen uns davon. Hanna schickte gestern Beelken zum Schmied, weil der Rechen entzweigegangen war, aber dieser Grobian spuckte nur in die Glut und drehte ihr den Rücken zu.» Seufzend strich er Griet übers Haar. «Wir gehen lieber freiwillig, bevor sie uns verjagen.»
Griet hörte Basses fröhliches Glucksen wie durch einen Nebel. Das war es also. Hanna und Frans wollten Oudenaarde verlassen. Das Haus Marx, auf dessen Erfolge sie immer so stolz gewesen waren, würde es bald nicht mehr geben. Griet nahm ihren Mut zusammen und drückte Frans die Hand. Ihre Wut auf den alten Mann war verflogen, stattdessen empfand sie Mitleid. Auf eine merkwürdige Weise fühlte er sich schuldig, denn wenn er mit Hanna die Stadt verlassen musste, so doch nur, weil seine Nachbarn nicht damit fertig wurden, dass nicht auch er hingerichtet worden war. Wäre er tot und begraben, würde man Hanna und Griet als ehrenwerte Witwen und Opfer des grausamen Statthalters trösten und versorgen. So aber würde ihnen immer ein Verdacht anhaften, ein schmutziger Verdacht, der sie zu Außenseitern machte und Anfeindungen aussetzte.
«Nun, vielleicht ist es besser, wenn ihr euch in Antwerpen ein neues Leben aufbaut», sagte Griet schließlich. Je länger sie über die Idee ihrer Schwiegereltern nachdachte, desto besser gefiel sie ihr. «Das Haus Marx ist in ganz Flandern berühmt. Im Grunde ist es gleichgültig, wo die Webstühle stehen, solange sie nur weiterhin beste Qualität liefern. Den Zunftgenossen in Antwerpen wird es eine Ehre sein, euch in ihre Register aufnehmen zu dürfen.»
Frans und Hanna blickten sie beide forschend an. «Das hört sich so an, als würdest du nicht mitkommen wollen», sagte der alte Weber streng. «Aber es ist ausgeschlossen, dass du allein in Oudenaarde zurückbleibst. Willem würde das nicht wollen.»
«Außerdem würdest du auf der Straße verhungern», pflichtete Hanna ihrem Mann bei. «Die Brüder Osterlamm wollen uns das Haus und die Weberei abkaufen. Adam ist bereit, uns ein hübsches Sümmchen dafür zu zahlen. Nicht so viel, wie es eigentlich wert ist, aber in stürmischen Zeiten wie diesen darf man nicht zu wählerisch sein. Es bleibt uns ja auch noch der Erlös der Alexanderteppiche.» Sie kicherte. «Der Statthalter persönlich finanziert uns die Flucht ins protestantische Antwerpen, ist das nicht herrlich?»
Griet fand das nicht. Noch gehörten die Alexanderteppiche ihr, und sie war nicht gewillt, ihren Gegenwert in ein Unternehmen fließen zu lassen, an dem sie nicht einmal auf dem Papier einen Anteil bekommen und in dem sie noch weniger zu sagen haben würde als in der alten Weberei. In Antwerpen, das lag jetzt schon auf der Hand, würde sie das Leben einer mittellosen, abhängigen Frau führen, die zunächst ihren Schwiegereltern und später einmal ihrem Sohn und dessen Familie auf der Tasche liegen musste. Sie sah ihr Schicksal schon vor sich, es war durchgeplant für Jahre. Es sei denn, sie änderte es.
Für Basse und mich wird morgen ein neues Leben beginnen, nahm sie sich vor. Und wenn ich dafür einen Pakt mit dem Teufel schließen müsste.
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Kapitel 7
Frans ließ sich weder durch Bitten noch gutes Zureden erweichen. Starrsinnig beharrte er auf seinem Vorhaben, die Alexanderteppiche zu Geld zu machen. Da der Statthalter ein Auge auf die kostbaren Stücke geworfen hatte, hielt er es für nötig, sie so rasch wie möglich aus dem Haus zu schaffen, ohne mit Griet noch einmal darüber zu sprechen. Am nächsten Morgen stahl er sich aus dem Haus, kaum dass der Hahn gekräht hatte. Mit Hilfe eines Knechts lud er die Teppiche auf einen Wagen, um sie im Schutz der Dämmerung zum Haus des Weinhändlers de Lijs zu transportieren. Nachdem er de Lijs aus dem Bett geholt hatte, erklärte er ihm, was ihn so früh zu ihm führte. De Lijs hörte ihm schweigend zu. Als er erfuhr, um welche Stücke es sich handelte, stutzte er, war aber nach kurzem Zögern bereit, seinem Freund den Gefallen zu tun. Noch am selben Abend würde er die Teppiche zum Quartier des Statthalters bringen. Frans Marx schärfte ihm ein, was er dafür verlangen sollte, und begab sich zufrieden auf den Nachhauseweg. De Lijs war Kaufmann, gewiss würde es ihm leichtfallen, noch ein paar Dukaten mehr aus Alessandro Farnese herauszuholen.
Griet erwachte mit einem
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