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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Junge. Zeigt mir doch mal, wo ich mir hier den Staub vom Gesicht waschen kann. Und dann lasst uns zusehen, dass wir noch einen Happen abbekommen.»
    Er warf Griet einen durchdringenden Blick zu. «Begleitet Ihr uns zum Festmahl, meine Teuerste? Der Keiler hat sich tapfer gewehrt, aber sein Widerstand hat ihm nichts genützt. Jetzt dreht er sich im eigenen Saft an meinem Spieß.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 6
    Als Griets Schwiegereltern zurückkehrten, ließ die Strafpredigt nicht lange auf sich warten. Beide waren weniger entsetzt darüber, dass ihr Hof wie ein verlassenes Feldlager aussah, viel erschrockener waren sie, als sie erfuhren, was sich im Gewölbe zugetragen hatte. Ihrer Ansicht nach hätte Griet die Wandteppiche an den Statthalter verkaufen sollen.
    «Dein Starrsinn wird uns alle ins Unglück stürzen», prophezeite Hanna. Sie stand am Herd und hackte frischen Speck, den sie anschließend mit Kräutern vermengte und mit Bier und Mehl zu einer dicken Soße verkochte.
    Griet saß stumm auf einem Schemel und bemühte sich angestrengt, Basse, der ausdauernd auf ihrem Schoß herumturnte, mit einer Hand festzuhalten. Sie hatte erwartet, dass Hanna kein Verständnis für sie aufbringen würde, doch dass Frans sich ebenfalls über sie aufregte, enttäuschte sie. Sanft setzte sie Basse auf dem Fußboden ab und trat ans Fenster, um auf den Hof hinauszuschauen. Dort waren Beelken und einige Mägde mit Schaufeln und Besen bemüht, die Spuren des Gelages zu beseitigen. Wohin sie blickte, sah sie umgestoßene Becher und die Scherben zerbrochener Teller und Schüsseln, die achtlos ins Gebüsch geworfen worden waren. Abgenagte Knochen schwammen in Pfützen verschütteten Weins. Zwischen den Ästen des Lindenbaums entdeckte Griet die Überreste des Keilers, die noch an dem rußgeschwärzten Bratspieß hingen. In der Dunkelheit sah das Skelett gespenstisch aus, seine leeren Augenhöhlen schienen das Haus zu fixieren. Sie hoffte inständig, dass Geleyn es bis zum nächsten Morgen abgenommen und Sand über die Aschehaufen geschaufelt hatte.
    «Ich werde morgen früh gleich zu de Lijs laufen», sagte Frans Marx nach einer Weile. Er sah dabei nicht Griet an, sondern seine Frau, die ihnen den Rücken zukehrte. Seit die Spanier Oudenaarde besetzt hielten, überließ sie nicht einmal mehr das Brotbacken ihren Mägden, sondern stand von morgens bis abends selbst am Herd. Sie behauptete, es beruhige ihre Nerven. Beelken war die Einzige im Haus, von der sie sich beim Kochen helfen ließ. Griet wurde von den Frauen mehr und mehr zur Untätigkeit verdammt.
    «Und was willst du bei de Lijs?», fragte Hanna, ohne den Blick von ihrem Topf zu nehmen. «Die Weinvorräte auffüllen, die die Spanier uns im Hof weggesoffen haben?»
    Frans schüttelte den Kopf. «Jooris de Lijs ist uns noch einen Gefallen schuldig. Er wird die Alexanderteppiche morgen nach Einbruch der Dunkelheit zur Posthalterei bringen. Soll der Statthalter doch damit glücklich werden, wenn er sie unbedingt haben will. Hauptsache, er lässt uns danach in Frieden.»
    Griet glaubte, sie höre nicht recht. Hatte Frans vergessen, wem die Teppiche gehörten? Voller Wehmut erinnerte sie sich daran, wie sie nächtelang über den Skizzen gebrütet und die Geschichte des Feldherrn Alexander studiert hatte, bis ihr vor Müdigkeit der Stift aus der Hand gefallen war. Wie hatte sie sich gefreut, als der alte Geleyn, dessen Hände damals noch nicht so gezittert hatten, nach ihren Anweisungen zu weben begonnen hatte. Schließlich hatte sie die Arbeit allein fortgesetzt, obwohl ihr das mit einer Hand schwergefallen war. Sie hatte ein Geheimnis um ihre Ausflüge in die Weberei gemacht, wollte sie doch Willem damit überraschen. Und das war ihr gelungen. Willem war so stolz auf seine Frau gewesen, dass er in der ganzen Stadt herumerzählt hatte, wie Griet trotz ihres Arms ein Kunstwerk geschaffen hatte. Wie konnte Frans nun einfach über ihren Kopf hinweg entscheiden, was aus ihrer Arbeit werden sollte.
    Sie holte tief Luft. «Das erlaube ich nicht. Ich habe dem Statthalter gesagt, dass ich ihm meine Alexanderteppiche nicht verkaufen werde, und dabei bleibe ich.»
    «Ach wo, das spielt keine Rolle mehr», sagte Frans leise. «Du lebst in meinem Haus und wirst tun, was ich dir sage.»
    «Du kannst mich nicht zwingen, die Wandteppiche herzugeben!» Griet starrte ihren Schwiegervater an, als habe sie einen Fremden vor sich. Sie begriff nicht, was in ihm vorging. Es war noch nicht lange

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