Die Stadt der schwarzen Schwestern
Stadt verlassen hatten.
Folglich musste sie sich die Teppiche zurückholen.
Jooris de Lijs war schon immer der Meinung gewesen, delikate Angelegenheiten besser persönlich zu erledigen, statt andere ins Vertrauen zu ziehen. Daher schlüpfte er, kaum dass es dunkel wurde, in einen Kapuzenmantel und stieg auf den Bock seines Wagens. Seine Frau hatte sich nach dem Nachtmahl wie immer in ihre Kammer zurückgezogen, um Eintragungen ins Hausbuch vorzunehmen. Sie würde ihn also nicht so bald vermissen.
Tief in Gedanken bemerkte de Lijs nicht, dass hinter einem Stapel Fässer am Fährübergang nach Sint-Pamele eine dunkel gekleidete Gestalt auf ihn wartete. Als diese plötzlich auf den Wagen sprang, erschrak der Weinhändler zutiefst.
«Griet Marx?», fragte de Lijs ungläubig. «Was zum Teufel macht Ihr hier? Und was soll die Maskerade?» Sein Blick fiel auf die eng anliegenden Beinkleider aus grober Wolle und den unförmigen Schnürkittel, der Griets weibliche Formen verbarg. Niemals hätte er erwartet, die Witwe seines alten Freundes, die für gewöhnlich so ehrsam gekleidet war, in einer solchen Aufmachung auf der Straße zu sehen.
«Ich möchte einen ehrenwerten Kaufmann davon abhalten, einen Diebstahl zu begehen», gab Griet zurück. «Die Teppiche, die Ihr im Auftrag meines Schwiegervaters zur Posthalterei bringen sollt, gehören weder Frans noch Euch. Sie sind mein Eigentum. Habt Ihr mich verstanden? Wenn jemand das Recht hat, sie zu verkaufen, dann bin ich das, ich allein.» Griet zog das Barett, unter dem sie ihr rotes Haar verbarg, tiefer in die Stirn. Falls jemand zufällig aus dem Fenster schaute, würde er de Lijs in Begleitung eines jungen Handelsknechts sehen, der noch unterwegs zu einer Schenke war, um bestellten Wein auszuliefern. Sie bedeutete dem Händler, langsam weiterzufahren, was dieser, überrumpelt, wie er war, auch tat. Vorsichtig lenkte er sein Gefährt durch die engen Gassen, dem Grote Markt entgegen.
«Also schön, meine Liebe, ich glaube Euch», sagte de Lijs, nachdem er und Griet eine Weile vor sich hin gebrütet hatten. Dabei spähte er zu der jungen Frau hinüber, deren schmale Schulter die seine berührte. Er hielt Griet für tollkühn, aber ihre Nähe erregte und verwirrte ihn so sehr, dass sein Herz heftig zu klopfen begann. «Falls Ihr vorhabt, die guten Stücke dort hinten auf dem Wagen heimlich fortzuschaffen, soll es mir recht sein. Aber wenn der alte Marx und sein Weib erfahren, dass die Teppiche niemals ihr Ziel erreicht haben, möchte ich nicht in Eurer Haut stecken.»
Griet stieß scharf die Luft aus, ihre Hände schwitzten vor Aufregung. Es war ein törichtes Unterfangen, das wusste sie. Aber sie hatte sich entschieden, für ihr Recht zu kämpfen, und durfte nun nicht mehr zurückweichen.
«Ich habe Euch doch soeben erklärt, dass es sich um mein Eigentum handelt», sagte sie. «Außerdem werden die Alexanderteppiche ihr Ziel sehr wohl erreichen. Dafür werde ich nun selbst sorgen. Aber Ihr dürft mir gerne dabei behilflich sein, de Lijs. Dann war Euer kleiner Ausflug in die Stadt nicht ganz vergebens.»
De Lijs runzelte die Stirn. Er erwog kurz, das sonderbare Mädchen vom Bock zu schubsen. Für einen kräftigen Mann wie ihn wäre das nicht weiter schwer gewesen. Doch Griet schien durchaus in der Lage, Widerstand zu leisten, und das durfte de Lijs, der sich Hoffnungen machte, zum Ratsherrn aufzusteigen, nicht riskieren. Bei dem Gedanken, auf dem Weg zum Markt mit gestohlenen Wandteppichen erwischt zu werden, die für die Spanier bestimmt waren, wurde ihm nun doch heiß. «Aus Euch werde ich nicht schlau, Griet», murmelte er. «Wollt Ihr nun, dass ich Euch zur Posthalterei fahre, oder nicht?»
Griet lächelte. «Ja, das möchte ich.»
Vor der Posthalterei, die in Erinnerung an die Obstbäume, die einst im Garten des Anwesens geblüht hatten, «Goldener Apfel» genannt wurde, brachte der Weinhändler sein Gefährt zum Stehen. Behände schwang er seinen massigen Körper vom Bock. Griet stieg ebenfalls ab, ließ aber die spanischen Soldaten, die vor dem Eingang Wache hielten, nicht aus den Augen. Die Männer warfen sich vielsagende Blicke zu, denn sie hatten de Lijs’ Karren erkannt. Sie riefen ihm etwas auf Spanisch zu und lachten. Vermutlich nahmen sie an, der Händler sei zum Statthalter gerufen worden, um einige Krüge Wein zu bringen. Es war bekannt, dass Farnese eine besondere Vorliebe für die burgundischen Weine hatte, die de Lijs verkaufte. Griet kam dieser
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