Die Stadt der schwarzen Schwestern
«Was wollt Ihr von mir?», murmelte Farnese in gefährlich leisem Ton.
Griet glaubte, sich verhört zu haben. Unfähig, auf die Frage des Statthalters auch nur ein Wort zu erwidern, hob sie die Schultern. Damit erreichte sie jedoch nur, dass dieser zu toben begann.
«Glaubt Ihr etwa, ich sei ein Narr? Wollt Ihr mich verhöhnen? Ich weiß sehr wohl, warum Ihr mir Eure Teppiche zeigt. Ihr seid der Meinung, ich sei ein Barbar, ein wilder Grobian, weil ich befohlen habe, Eure feigen, verräterischen Ratsherren in Teppiche zu stecken und auf den Grote Markt zu werfen, nicht wahr? Gebt es ruhig zu.»
Griet erschrak. Hatte sie den Statthalter zunächst nur gehasst, jetzt wurde er ihr auch unheimlich. Ja, sie fürchtete sich vor ihm. Er schien in ihren Gedanken zu lesen wie in einem Buch, das allein war beängstigend. Hinzu kam, dass Don Luis mit seiner Bemerkung, der Alexander auf den drei Wandbehängen sehe Farnese verblüffend ähnlich, offenbar einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Doch welchen Grund mochte der Herzog haben, sich darüber so zu erregen? Griet hatte die Skizzen, nach denen die Alexandermotive gewebt worden waren, lange vor der Eroberung Oudenaardes angefertigt. Den Herzog aber hatte sie zum ersten Mal am Tag des Strafgerichts vor dem Rathaus gesehen, und auch da nur aus der Ferne.
Don Luis schien von der veränderten Haltung seines Herrn ebenso überrascht wie sie. Verwirrt starrte er zuerst ihn, dann die Alexanderteppiche an.
«Es sind diese Teppiche, die Euch so in Rage versetzen, nicht wahr?», sagte Don Luis nach einer Weile. «Denkt Ihr an ein schlechtes Omen? Oder an eine versteckte Drohung? Aber ich bitte Euch, Herzog. Nicht einmal der schnellste Weber der Stadt wäre fähig, drei so gewaltige Wandbehänge in weniger als drei Wochen zu entwerfen und zu weben. Nicht einmal, um Euch zu ärgern.»
Farneses Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. «Na schön. Ich bin gerne bereit, mich dem Hause Marx gegenüber versöhnlich zu zeigen. Schließlich habe ich den alten Weber am Leben gelassen und damit …»
«Eine weise Entscheidung», fiel Don Luis ihm ins Wort. Damit stürzte er zur Tür und riss sie auf. Auf einmal schien ihm der Boden unter den Füßen zu brennen. «Aber nun sollten wir auf den Hof zurückkehren, sonst denken unsere Freunde am Ende noch, wir seien in einen Hinterhalt geraten. Ihr könnt froh sein, dass Ihr mich als Leibwächter dabeihattet.»
Der Statthalter klopfte ihm lachend auf die Schulter. «Nehmt Ihr den Mund da nicht ein wenig zu voll, mein Junge? Blass, wie Ihr seid, solltet Ihr vielleicht öfter reiten oder die Klinge führen, anstatt Eure Nase in Bücher zu stecken.»
Don Luis stimmte in das Lachen mit ein. Er schien erleichtert, dass Farneses Stimmung sich so rasch wieder gewandelt hatte. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Bevor der Statthalter den Raum verließ, drehte er sich noch einmal zu Griet um, die mit zitternden Fingern die Kerzen löschte. «Die drei Alexanderteppiche gefallen mir. Wen auch immer sie darstellen mögen: Ich will sie haben. Lasst sie mir doch morgen in mein Quartier bringen. Ich zahle jeden Preis dafür.»
«Eine glänzende Idee», sagte Don Luis in einem Tonfall, der seine Äußerung Lügen strafte. «Vielleicht lasst Ihr die hübschen Teppiche gleich nach Spanien schicken.»
«Hört Ihr mir nicht zu? Ich sagte doch, dass ich sie haben will.»
«Aber König Philipp könnte mit ihnen die Wände von El Escorial schmücken. Wie ich hörte, stehen die Bauarbeiten im neuen Palast vor dem Abschluss. Philipp wäre Euch für ein solches Geschenk zweifellos ewig dankbar. Vergesst nicht, wie sehr er für flämisches Kunsthandwerk schwärmt.» Während Don Luis den Statthalter zu überreden suchte, fuchtelte er in dessen Rücken mit den Armen, um Griet zu warnen. Vergeblich.
«Die Alexanderteppiche sind unverkäuflich», erklärte Griet. «Ich habe sie einst für meinen verstorbenen Gatten weben lassen und werde mich nicht von ihnen trennen. Niemals.»
Farnese stieß überrascht die Luft aus. Mit so viel Widerspenstigkeit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Zuerst sah er Griet wütend an, dann glitt ein verächtliches Lächeln über seine Lippen. «Mit einer Frau zu verhandeln hat mir noch nie Glück gebracht», sagte er leise. «Es wird besser sein, sich in Geduld zu üben und zu warten, bis Meister Marx wieder im Haus ist. Mit einem Mann wie ihm werde ich gewiss rasch handelseinig.» Er stieß Don Luis in die Rippen. «Na los,
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