Die Stadt der schwarzen Schwestern
niemanden mehr in Oudenaarde. Ich wollte Euch bitten, mir einen aufgeweckten Knecht zu empfehlen, der das Haus im Auge behält, insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit.»
De Lijs sagte nichts. Er stand einfach nur da und musterte Griet mit nachdenklicher Miene. Dann endlich, als Griet bereits glaubte, er habe sie nicht verstanden, stieß er scharf die Luft aus. «Ihr habt also niemanden mehr in Oudenaarde? Sollte Euch entgangen sein, was ich für Euch empfinde? Ich habe die ganze Zeit geschwiegen, weil ich dachte, dass Ihr eines Tages aufhören würdet, mir gegenüber die spröde Schönheit zu spielen, aber offensichtlich habe ich mich geirrt. Ihr seid wie alle anderen. Kommt angelaufen, wenn Ihr etwas von mir haben wollt, ansonsten meidet Ihr mich, als hätte ich die Pocken.»
Griet erschrak; so aufbrausend hatte sie den gutmütigen Weinhändler noch nie erlebt. Sie schätzte ihn als alten Freund ihres Mannes, war jedoch nie auf den Gedanken gekommen, sie könnte ihm etwas bedeuten. Nun aber fielen ihr die Blicke wieder ein, die de Lijs ihr bei ihrem letzten Besuch im Kontor zugeworfen hatte. In der Tat, die waren anders als bloß freundschaftlich oder väterlich gewesen.
Wie konnte ich nur so blind sein, schalt sie sich und wünschte, gar nicht erst gekommen zu sein. Sie fühlte sich schrecklich. Sie musste etwas tun, um ihn zu beruhigen. «Hört zu, de Lijs, ich bedaure, wenn ich, ohne es zu wollen, Eure Gefühle verletzt habe», sagte sie. «Aber hört bitte auf, mich anzuschauen, als wolltet Ihr mich wie ein Stück Speck verspeisen. Das mag ich nicht. Wir sind Geschäftspartner, das ist alles. Außerdem seid Ihr verheiratet!» Und plump, fett und so alt, dass Ihr mein Vater sein könntet, fügte sie in Gedanken hinzu.
De Lijs stürzte zur Tür und schlug den Riegel vor. «So einfach lasse ich Euch nicht gehen, Griet. Ihr habt gewusst, worauf Ihr Euch einlasst. Habt Ihr wirklich geglaubt, all die kleinen Gefälligkeiten, die Ihr empfangen habt, würden Euch nichts kosten?» Er packte Griet am Arm und zog sie an sich. Griet öffnete den Mund, um zu schreien, aber de Lijs erwies sich in seiner Gier nach ihr als erstaunlich flink. Bevor sie sich versah, presste der Weinhändler seine Lippen auf die ihren und versuchte sie wild zu küssen. Griet wehrte sich verzweifelt, konnte jedoch nicht verhindern, dass de Lijs sie rückwärts durchs Kontor schob und mit einer einzigen Bewegung auf den Rechentisch hob. Als er seine Hose öffnete, stieß sie ihm ihren Ellenbogen in den Bauch. Er stutzte, schien überrascht, dann holte er aus und schlug ihr ins Gesicht. Als ihre Kräfte erlahmten und sie aufhörte zu kämpfen, beugte er sich über sie.
«Tut das nicht», bat Griet. Sie spürte, wie seine Hände über ihren Oberkörper glitten und an den Schnüren ihres straffen Mieders zerrten. Der Stoff riss, Tränen schossen ihr in die Augen. Ihre Wangen brannten. «Bei allem, was Euch heilig ist …»
Er hob den Kopf und küsste sie erneut. «Du bist mir heilig, Griet. Nur du. Ich hätte Adam und Coen beinahe sämtliche Knochen gebrochen, als sie vorschlugen, dich mit Hilfe meiner Weinlieferung zu ruinieren. Und ich würde noch mehr für dich tun, weißt du? Den Burschen, der deine Katze in die Jauche geworfen hat, erwürge ich mit meinen bloßen Händen. Ich werfe jeden in die Schelde, der dir oder deinem Jungen zu nahe tritt, und schaue zu, wie er ersäuft. Du brauchst keinen jämmerlichen Knecht, der auf dich aufpasst, sondern einen Mann wie mich.»
Unversehens ließ er von ihr ab. Er machte einen Schritt zurück und hob beide Hände, um ihr zu versichern, dass er sie nicht mehr anrühren würde. Sein Rausch war verflogen, seine Miene jedoch blieb starr. «Steh auf und richte deine Röcke, du bist doch keine Hure.»
Am ganzen Körper zitternd, rutschte Griet von dem Rechentisch. Ihre Glieder taten ihr weh, doch noch schlimmer war die Demütigung. Sie würde viel Wasser schöpfen müssen, um dieses Gefühl abzuwaschen. Falls das überhaupt möglich war.
«Du bekommst deinen Knecht», sagte de Lijs. «Ich schicke ihn dir heute Abend rüber.»
«Behaltet ihn. Ich werde nichts mehr von Euch annehmen. Nichts, was Ihr mich auf diese Weise bezahlen lasst!» Griet funkelte den Mann böse an. Innerhalb weniger Momente hatte er alles, was sie an ihm geschätzt und bewundert hatte, in Abscheu verwandelt. Sie wollte ihn am liebsten niemals wiedersehen, auch wenn sie das Geschäft, das sie abgeschlossen hatten, miteinander
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