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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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hielt, das hatte Bernhild ihr bereits am ersten Abend gesagt. Doch Cäcilia war klug genug, keine Fehler zu begehen. Nie hatte sie den Frauen einen Grund gegeben, an ihrer Treue zu den Regeln des heiligen Augustinus zu zweifeln. Klaglos hatte sie alle Aufgaben übernommen, die ihr übertragen worden waren. Als jüngstem Mitglied des Konvents waren dies zunächst die niedrigsten Arbeiten in der Küche, den Stallungen oder im Waschhaus gewesen. Von dort hatte man sie in den Garten geschickt, nicht ahnend, welche Freude man ihr damit machte. Die Äbtissin von Hertoginnedal hatte schnell herausgefunden, wie sehr sich Cäcilia für Botanik, besonders für Heilkräuter, interessierte. Nun durfte Schwester Cäcilia bei der Auswahl des Saatguts helfen. Ihre Geschicklichkeit beim Anlegen neuer Gemüsebeete und bei der Zucht von Arzneipflanzen führte dazu, dass die Abtei es sich wieder erlauben konnte, Armenspeisungen durchzuführen und sogar ein kleines Spital zu unterhalten, das mit frischen Erzeugnissen aus dem Garten beliefert wurde. Dass ihr bei der Vorstellung, all das zurückzulassen und in eine Stadt zu ziehen, die von Alessandro Farneses Truppen erobert worden war, das Herz blutete, war verständlich. Die langen Gesichter ihrer sechs Mitschwestern konnte sich Cäcilia indessen nicht erklären. Sie kannte Oudenaarde nicht.
    Keine der Schwestern schien sich über die Neuigkeiten zu freuen, am wenigsten Bernhild, die das Schreiben der Generalstatthalterin Margarethe von Parma mit versteinerter Miene vorlas.
    «Wir haben uns den Wünschen der Fürstin zu fügen», rief sie in das anschließende Schweigen hinein. «Wir haben schließlich Gehorsam gelobt. Der Sohn der Fürstin wird uns unser altes Haus zurückgeben, außerdem alle dazugehörigen Nebengebäude. Derzeit lebt an der Pforte noch eine Witwe, doch die wird bis zu unserer Ankunft weggezogen sein.» Sie blickte Cäcilia an. «Dort gibt es sogar einen Garten für Euch.» Es klang nicht freundlich, eher gehässig, als habe Schwester Cäcilia den Umzug befohlen.
    «Aber wir können doch nicht zurück», erhob eine der Nonnen Einspruch. «Ihr wisst genauso gut wie ich, dass eine Rückkehr ins Verderben führt.»
    «Still», mahnte eine andere mit einem vorsichtigen Seitenblick auf Cäcilia. «Ihr solltet nicht über diese Dinge reden, solange wir nicht unter uns sind.»
    Cäcilia tat so, als habe sie nichts gehört.
    Die Vorsteherin stieß mit ihrem Stock auf. «Meint Ihr, ich wüsste das nicht? Ich habe dem Edelmann, der die Fürstin überredet hat, uns nach Oudenaarde zu schicken, versichert, dass wir lieber bleiben würden. Trotz der Bedrohung durch die Calvinisten. Zunächst verstand er kein Wort, verhielt sich abweisend, aber …» Sie lächelte. «Es gibt da etwas, das er von mir haben will. Er wird uns helfen.»
    «Helfen? Wobei?», entfuhr es Schwester Cäcilia. Sogleich biss sie sich auf die Lippen. Nun hatte sie doch einen Fehler gemacht. Es gehörte sich nicht, als Jüngste dazwischenzureden, das würde am Abend eine Strafe nach sich ziehen. Schon richteten sich alle Augen auf sie. Einige Nonnen wirkten verärgert, andere besorgt. Allein Bernhild bewahrte Haltung. Sonderbarerweise lächelte sie immer noch.
    «Das werdet Ihr noch früh genug erfahren, meine Liebe!»

    In der folgenden Nacht konnte Cäcilia lange nicht einschlafen. Überraschenderweise war sie wegen des Regelverstoßes nicht bestraft worden, wie sie befürchtet hatte. Dafür beschäftigte sie das sonderbare Verhalten ihrer Mitschwestern. Mit vor der Brust gekreuzten Armen lag sie auf dem schmalen Bett ihrer Zelle wach und lauschte zu jeder vollen Stunde auf die Glockenschläge vom nahen Turm. Als sich hinter der Bretterwand, welche die kärglichen Schlafkammern der Klosterschwestern trennte, etwas rührte, dachte sie im ersten Moment, es sei schon Zeit für das gemeinsame Gebet. Aber das konnte nicht stimmen, es war noch viel zu früh. Nun knarrte auch die Bettstatt zu ihrer Linken.
    Die Frau war wach, und sie stand auf. Cäcilia spähte unter ihren halbgeschlossenen Lidern hervor und sah, wie sich ihre beiden Nachbarn aus ihren Zellen tasteten und auf den Gang traten. «Schläft sie?», hörte Cäcilia eine der Frauen fragen. Cäcilia bemühte sich, gleichmäßig zu atmen. Da sie keine Antwort vernahm, vermutete sie, dass die Nonne zu ihrer Rechten lediglich genickt hatte.
    Sie hörte Schritte, die sich entfernten.
    Leise schlug Cäcilia die dünne Decke zurück, sprang auf die Füße und

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