Die Stadt der schwarzen Schwestern
Mutter?»
Don Luis nickte. «Ich hielt sie für tot, bis ich durch eine Fügung Gottes erfuhr, dass sie noch am Leben ist. Seitdem bin ich auf der Suche nach ihr.» Verzweifelt schlug er mit der Faust gegen die Tür. «Bernhild behauptete, mir helfen zu können, versteht Ihr? Sie wusste, wo sich meine Mutter aufhält, aber sie wollte es mir erst sagen, nachdem ich ihre Flucht ins Ausland in die Wege geleitet hätte. An alles hatte sie gedacht. Sogar einen Brief wollte sie vorbereiten, in dem sie bekennen würde, dass der Überfall nur vorgetäuscht war und sie das Land aus freien Stücken verlassen habe, um an einem unbekannten Ort ein neues Leben zu beginnen.»
«Deshalb wart Ihr so erregt, als Ihr in der Scheune nur ein paar belanglose Habseligkeiten und dieses hebräische Buch gefunden habt?» Allmählich ergab manches, was er sagte, für Griet Sinn, dennoch verspürte sie Wut, hintergangen worden zu sein. Der Vertrauensbruch wog schwer für sie. Wenn Bernhilds Plan mit Don Luis’ Hilfe geglückt wäre, so hätten alle Beteiligten frohlockt, mit Ausnahme von ihr. Sie allein wäre ruiniert gewesen. Als sie Don Luis das vorhielt, erwiderte er: «Ich habe mir viele Nächte lang darüber den Kopf zerbrochen, Griet. Es hätte eine Lösung gegeben, glaubt mir. Ich hätte niemals zugelassen, dass Ihr und Basse mittellos auf der Straße gelandet wärt. Aber Ihr müsst verstehen, dass ich so handeln musste. Als diese Frau mich in Namur abpasste und behauptete, sie würde meine Mutter kennen, wollte ich mich zuerst abwenden, aber es ging nicht. Ich konnte es einfach nicht. Ich habe eine Mission zu erfüllen, Griet. Eine … Buße, wenn Ihr so wollt. Erst wenn ich meine Mutter gefunden habe, bin ich frei.»
«Und vor wem hatte meine unglückselige Verwandte nun solch panische Angst?», mischte sich Anne van Aubrement in die Unterhaltung ein. «Die Bernhild, an die ich mich erinnere, war eine energische Person, die sich nicht so leicht fürchtete.»
Alle Blicke richteten sich erneut auf das Krankenlager. Der Verwundete, der auf Griets Frage angab, Maarten van de Vlees zu heißen, schüttelte geschwächt den Kopf. «Ich weiß nicht, wer die Kerle waren oder wer sie beauftragt hatte, uns niederzumachen. Als wir die Halle betraten, glaubten wir, wir könnten uns hier mit Reiseproviant und frischer Kleidung eindecken. Wir mussten auch die Reisewagen mit dem Wappen der Fürstin loswerden. Die alte Frau wollte Briefe an Don Luis und den Statthalter schreiben. Außerdem habe ich gehört, wie sie auf eine ihrer Nonnen einredete, in Elsegem zu bleiben, um Don Luis ihre Briefe später persönlich zu übergeben. Es gab einen heftigen Wortwechsel zwischen den beiden Frauen, offensichtlich war die andere nicht besonders angetan von der Vorstellung, allein im Dorf zurückzubleiben. Sie schien sich den anderen Nonnen aber auch nicht wirklich zugehörig zu fühlen, obwohl sie deren Ordenstracht trug. Schon unterwegs blieb sie eher für sich. Niemand sprach oder betete mit ihr.»
«Fandet Ihr es nicht merkwürdig, dass das Gutshaus verlassen war?»
«Schwester Bernhild schien sich als Verwandte des Grundherrn bestens auszukennen. Sie besorgte uns Männern sogar Wein. Ich weiß noch, wie wir die Waffengurte abschnallten und es uns in der Halle am Feuer bequem machten, aber die Augen öffnete ich erst, als ich einige der Frauen entsetzt aufschreien hörte und die fremden Männer sah, die sich auf sie stürzten. Dann ging alles ganz schnell. Meine Kameraden waren wegen des Weins noch gar nicht bei Sinnen und daher leichte Beute für diese Mörder. Ich selbst wehrte mich verbissen, ging aber zu Boden, nachdem mich ein Schwerthieb in die Brust traf. Was dann geschah, kann ich Euch nicht sagen. Ich kam erst in dieser Kammer wieder zu mir.»
Griet drehte sich zu Don Luis um, der noch immer wie versteinert dastand, und bedachte ihn mit einem Blick, der ihre ganze Enttäuschung wiedergab. «Wollt Ihr dem vielleicht noch etwas hinzufügen?»
Don Luis nickte. «Als ich Bernhild van Aubrement in Namur traf, erwähnte sie ein Buch, das sie unter allen Umständen vor jemandem in Sicherheit bringen wollte. Aber würde jemand eine Gruppe Ordensfrauen eines Buches wegen überfallen?»
«Das muss es sein», sagte der Verwundete leise. «Eine der Nonnen sprach unterwegs von einem Buch. Mein Gott, wie nannte sie es bloß?» Eine Weile schloss der Mann die Augen und bemühte sich unter sichtlichen Qualen, sein von Fieber und Schmerz umnebeltes
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