Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
Smaragde reglos und friedlich in einem vorderen Wellenberg des grenzenlosen Gewoges zu erspähen – doch gab es dort so viele weitere Edelsteine von gleicher Größe und Reinheit, dass er sie nicht mit Sicherheit zu unterscheiden vermochte.
Eine Zeit lang war er kaum imstande, diese unbeschreibliche Vision überhaupt für wahr zu halten. Doch dann sprang er mit einem einzigen Aufschrei der Ekstase vom Sims hinab und versank fast bis zu den Knien im geschmeidigen, klirrenden, wogenden Bad der Juwelen. Mit überfließenden Händen hob er die lodernden und funkelnden Steine empor und ließ sie langsam und wollüstig zwischen seinen Fingern hindurchperlen, dass sie mit hellem Klimpern zurück auf den ungeheuren Haufen rieselten. Mit verzücktem Blinzeln folgte er den an- und abschwellenden Rinnsalen der königlichen Funken und Farben; er sah die Juwelen brennen gleich unlöschbaren Kohlen und verborgenen Sternen, sah sie hervorblitzen als flammende Augen, die sich gegenseitig in Brand zu setzen schienen.
Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte der Wucherer die Existenz derartiger Reichtümer auch nur für möglich gehalten. In seliger Beglückung plapperte er laut vor sich hin, während er mit den unzähligen Edelsteinen spielte – und bemerkte daher nicht, dass er mit jeder Bewegung tiefer in das bodenlose Glitzermeer einsank. Die Juwelen standen ihm jetzt schon bis über die Knie und umfluteten bereits seine fleischigen Schenkel, ehe auch nur ein Gedanke an Gefahr durch seinen wonnigen Rausch der Raffgier drang.
Doch endlich bemerkte er voller Entsetzen, dass er in seinem neu entdeckten Reichtum versank wie in einem heimtückischen Treibsand. Erst jetzt versuchte er sich freizukämpfen und die Sicherheit des Felsgesimses wiederzugewinnen – aber er zappelte nur hilflos herum, denn die gleitenden Edelsteine boten ihm keinen Halt. Statt freizukommen versank er nur noch tiefer in ihnen, bis das glitzernde Gewoge schon seine feiste Taille umspielte.
Inmitten der grausamen Ironie seiner Notlage fühlte Avoosl Wuthoqquan, wie ihn panisches Entsetzen packte. Er schrie, und wie zur Antwort hallte hinter ihm ein durchdringendes, öliges, bösartiges Kichern von den Felswänden wider. Unter schmerzhafter Anstrengung verrenkte er seinen wulstigen Hals, bis er über die Schulter spähen konnte, und erblickte ein höchst eigentümliches Wesen, das auf einem terrassenartigen Felsvorsprung über dem Juwelenpfuhl kauerte.
Die Kreatur war auf abscheuerregende Weise vollkommen unmenschlich. Sie gemahnte auch nicht an irgendeine Tierart und glich keinem der in Hyperborea bekannten Götter oder Dämonen. Ihr Anblick war nicht geeignet, die Angst und die Panik des Geldverleihers zu lindern, denn sie war überaus groß und fahl und plump, mit einem krötenartigen Schädel und einem aufgedunsenen, glitschigen Rumpf und zahllosen tintenfischartigen Greifarmen oder Fortsätzen. Platt ruhte das Wesen auf dem Felsvorsprung, schob den kinnlosen Schädel mit dem breit geschlitzten Maul über den Rand des Vorsprungs hinaus und schielte aus kalten, lidlosen Augen auf Avoosl Wuthoqquan nieder. Ebenso wenig trug es zur Beruhigung des Wucherers bei, als das Wesen mit einer breiigen, widerwärtigen Stimme, deren zähes Tropfen wie das Überschwappen von Leichenschmer aus dem Sudkessel eines Hexenweibs wirkte, zu sprechen anhob.
»Na so was! – Was haben wir denn da?«, sprach es. »Beim schwarzen Altar Tsathogguas, das ist ein fetter Geldverleiher, der sich in meinen Juwelen suhlt wie ein entlaufenes Schwein im Morast!«
»Hilfe! – Hilf mir!«, heulte Avoosl Wuthoqquan. »Siehst du denn nicht, dass ich versinke?«
Abermals kicherte das Wesen auf seine ölige Art. »Natürlich sehe ich es. Deine missliche Lage ist mir wohl bewusst … Was hast du hier verloren?«
»Ich kam auf der Suche nach meinen Smaragden – zwei herrlichen und fehllosen Steinen, für die ich erst heute zweihundert Djal bezahlt habe.«
» Deine Smaragde?«, versetze das Wesen. »Ich fürchte, da muss ich dir widersprechen. Denn die beiden Smaragde gehören mir. Sie wurden unlängst aus dieser Höhle gestohlen, in der ich meinen unterirdischen Schatz seit unvordenklichen Zeiten horte und hüte. Der Dieb lief angsterfüllt davon … nachdem er mich erblickt hatte … und ich ließ ihn entkommen. Er hatte nur die beiden Smaragde an sich genommen, und ich wusste ja, dass sie zu mir zurückkehren würden – so wie meine Juwelen stets zu mir zurückkehren – wann immer
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