Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
ich glaube, Sie sind einander noch nicht begegnet.«
Ich war überrascht, seine Stimme klar und deutlich zu vernehmen, und fragte mich, weshalb die betäubende Wirkung meiner drogengetränkten Wattebäusche bereits verflogen war. Doch derartige Kleinigkeiten waren unbedeutend angesichts der erstaunlichen Tatsache, dass ich Angarth und Ebbonly gefunden hatte, dass sie, genau wie ich, das überirdische Verzücken in der Flamme überlebt hatten.
»Wo sind wir hier?«, fragte ich, nachdem ich Ebbonly begrüßt hatte. »Ich muss gestehen, dass ich nicht im Geringsten begreife, was geschehen ist.«
»Wir befinden uns in der sogenannten Inneren Dimension«, erklärte Angarth. »Auf einer höheren Ebene von Raum, Energie und Materie als derjenigen, in die wir von Crater Ridge aus versetzt wurden. Der Zugang ist einzig durch die Singende Flamme in der Stadt Ydmos möglich. Die Innere Dimension entspringt aus dem Feuerbrunnen und wird von ihm quasi aufrechterhalten. Wer sich in die Flamme stürzt, wird in diese höhere Schwingungsebene versetzt. Für ihn existieren die Äußeren Welten nicht mehr. Über die Beschaffenheit der Flamme selbst weiß niemand etwas, es ist lediglich bekannt, dass es sich um einen Quell reiner Energie handelt, der dem gewachsenen Fels unter Ydmos entspringt. Und gerade weil das Feuer unentwegt brennt, entzieht es sich menschlicher Wissbegier.«
Er verstummte, und mir war, als musterte er aufmerksam die beiden geflügelten Wesen, die noch immer an meiner Seite verharrten.
»Ich bin noch nicht lange genug hier und weiß nur sehr wenig«, fuhr er dann fort. »Dennoch habe ich ein paar Dinge herausgefunden. Ebbonly und mir ist es gelungen, eine Art telepathischer Verbindung zu den übrigen Wesenheiten herzustellen, die durch die Flamme hierher gelangten. Viele von ihnen verfügen über keine Sprache im eigentlichen Sinn und auch nicht über Sprachorgane, und ihre Art zu denken unterscheidet sich grundlegend von der unsrigen, weil ihr Verstand sich unter den andersartigen Bedingungen der Welten, aus denen sie stammen, gänzlich verschieden entwickelte. Aber wir sind in der Lage, uns gewissermaßen über Bilder zu verständigen.
Die beiden Personen, die mit Ihnen kamen, versuchen mir etwas mitzuteilen. Wie es scheint, dürften Sie und diese beiden die letzten Pilger sein, die Ydmos betreten und in die Innere Dimension gelangen werden. Die Herrscher der Äußeren Länder haben der Flamme und ihren Hütern den Krieg erklärt, weil so viele ihrer Leute dem Lockruf des Singenden Feuerbrunnens erlagen und in die höhere Sphäre entschwanden. Zur Zeit haben ihre Armeen Ydmos umzingelt und sind dabei, die Wälle der Stadt mithilfe ihrer wandernden Türme in Schutt und Asche zu legen.«
Nun begriff ich so manches von dem, was ich gesehen und bislang nicht verstanden hatte. Ich erzählte ihm alles und er hörte mir ernst zu.
»Schon seit Langem hegt man hier die Befürchtung«, sagte er schließlich, »dass ein solcher Krieg früher oder später unvermeidlich sein wird. In den Äußeren Ländern gibt es zahllose Legenden über die Flamme und das Schicksal derer, die ihrer Anziehungskraft erliegen. Doch die Wahrheit kennt niemand und nur wenige ahnen, wie es sich wirklich verhält. Viele gehen, so wie einst auch ich, davon aus, dass sie den Tod bedeutet; und die wenigen, die etwas von der Existenz der Inneren Dimension ahnen, hassen sie wie die Pest, weil sie verträumte Müßiggänger von ihren weltlichen Beschäftigungen abhält. Sie erachten sie als schädlich und todbringend, halten sie für poetische Träumerei oder eine Art Paradies, das man nur im Opiumrausch erreicht.
Ich könnte Ihnen tausend Dinge erzählen bezüglich der Inneren Sphäre und der Gesetze und Bedingungen, denen wir nun, da jedes Atom unserer Körper in der Flamme eine neue Ausrichtung erfuhr, unterworfen sind. Doch im Augenblick bleibt uns leider keine Zeit dazu, denn allem Anschein nach befinden wir uns in ernsthafter Gefahr – die Existenz der gesamten Inneren Dimension und damit auch unser Dasein steht auf dem Spiel. Wir werden von den feindlichen Kräften bedroht, die im Moment im Begriff sind, Ydmos zu zerstören.
Manche sagen, die Flamme sei unverletzlich, ihre reine Energie werde jedem auf sie gerichteten Strahlenbündel widerstehen und die Blitze der Herrscher über die Äußeren Länder könnten ihrem Ursprung nichts anhaben. Doch die meisten rechnen mit einer Katastrophe und gehen davon aus, dass der Brunnen versiegt,
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