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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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nicht, wohin gebracht. Die haben die Leute mitgenommen und sie irgendwie bestattet. Jeden Einzelnen, das haben sie uns versprochen. Einen kannte ich aus Central City. Den Medizinmann der White Hawks. Die wissen, wie man so was macht. Die brachten die Leute dahin, wo sie hingehörten, jeden Einzelnen. Wie bei einer Seebestattung. Die kennen die richtigen Lieder und Gesänge. Die wissen, wie man so was macht. Die haben sich darum gekümmert, dass die Toten, nun ja, Ruhe finden. Damit sie nicht wieder auftauchen. Damit sie verschwinden. Nicht unseretwegen«, fügte er hastig hinzu, »es ging nicht um uns. Es war ihretwegen. Damit alles richtig ist.«
    Ich nickte.
    Wir waren fertig. Ich wollte Frank etwas Geld geben, aber er nahm es nicht an. Ich bedankte mich bei ihm und er sich bei mir.
    »Wofür?«, fragte ich.
    »Für die Wahrheit«, sagte er. »Ich weiß, wie schwer das ist.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Leute wie Sie und ich«, sagte er. »Wir kommen damit zurecht. Nicht alle können das. Aber wissen Sie, ich ziehe die hässliche Wahrheit der allerschönsten Lüge vor. Denn ich habe gesehen, wohin die Lügen einen führen. Hier und da. Und manchmal denke ich, Leute wie wir, Leute wie Sie und ich, wir bewahren die Wahrheit stellvertretend für die anderen. Damit sie noch existiert, wenn die Welt für sie bereit ist. Und es ist nicht leicht, das Bewahren. Wo doch überall so viele wunderschöne Lügen lauern. Wo doch alle so fröhlich klingen mit ihrem Schönen Tag noch und Vielen Dank für Ihren Anruf und Machen Sie sich wegen der Deiche keine Sorgen. Es ist nicht immer leicht.«
    »Aber es ist die Sache wert«, sagte ich.
    »Ja«, sagte Frank, »das ist es.«
    Draußen auf der kaputten Veranda, auf dem Weg zu meinem Auto, sah ich eine Ecke von Détection unter einem Zementeimer herausragen.

53
    A ls ich mit Frank und seiner Baufirma fertig war, war es schon nach sieben. Ich rief Mick an. Wir trafen uns in einem arabischen Restaurant in der Magazine Street zum Essen.
    Ich erzählte ihm, ich hätte den Fall gelöst. Er runzelte die Stirn. Er war über die Auflösung nicht sehr froh.
    »Das kann jeder gewesen sein«, sagte er. »Diese Beschreibung trifft auf tausend Jungen zu.«
    »Es war aber nicht jeder«, widersprach ich, »und es waren nicht tausend Jungen. Es war ein einzelner Mensch, und du weißt es.«
    »Ich weiß gar nichts«, knurrte Mick.
    »Es gibt einen Unterschied zwischen nicht wissen«, sagte ich, »und nicht wissen wollen.«
    Mick legte die Stirn in Falten. Wir aßen schweigend auf. Wir waren wie zwei Trauergäste nach der Beerdigung. Dabei war es für Mick viel schlimmer als eine Beerdigung. Es war ja nicht so, dass einer seiner Bekannten gestorben wäre. Jeder weiß, dass ihm das eines Tages passieren wird. Man bereitet sich darauf vor, man erwartet es geradezu.
    Nein, Mick hatte etwas verloren, von dessen Existenz er nicht einmal gewusst hatte. Er hatte auf ein Happy End gesetzt. Aber so etwas gibt es nicht. Es gibt nicht einmal ein Ende. Die dicke Lady wird niemals ihr letztes Lied anstimmen. Sie wechselt das Kostüm und tritt in der nächsten Show auf. Es kommt einzig darauf an, ab wann man nicht mehr zuschaut.
    Schwierig wird es, wenn alle geköpft auf der Bühne liegen und man auf den Beginn der nächsten Vorstellung warten muss. Aber Mick würde es schaffen.
    »Versprich mir, bis morgen nichts zu unternehmen«, bat er mich beim Abschied. »Schlaf einmal drüber. Denk drüber nach, okay? Versprich es mir.«
    Ich versprach es.
    Dann ging ich los, um etwas zu unternehmen.

54
    I ch machte Andray an seiner üblichen Straßenecke ausfindig. Die Sonne war schon untergegangen. Er und ein paar andere Jungen hingen in verschiedenen Stadien der Erschlaffung auf den Verandastufen eines fliederfarbenen, leerstehenden Hauses im viktorianischen Stil herum. Ein langweiliger Tag in der Welt der Tieffinanz.
    Andray kam zu meinem Auto geschlendert. Er lächelte gezwungen. Ich ließ die Seitenscheibe herunter, und er beugte sich herein.
    »Was ist los, Lady?«, sagte er, ohne das gezwungene Lächeln abzusetzen. »Sie sind ja immer noch da.«
    »Gut gemacht«, sagte ich. »Wirklich toll.«
    Er schwieg. Das gezwungene Lächeln verschwand. Seine Miene verriet mir, dass er hoffte, ich spräche von etwas anderem.
    Er schüttelte den Kopf und drehte sich um, wie um wegzulaufen. Ich legte eine Hand an meinen Revolver.
    »Vergiss es«, sagte ich, »ich hole dich sowieso ein. Es ist vorbei.«
    »Scheiße«, sagte Andray

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