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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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und ziehe Leute aus dem Wasser und so. Und dann das. Die Leute haben geweint, die Leute hatten Hunger, und einige waren von der Sonne total verbrannt, weil sie tagelang auf dem Dach gesessen hatten. Die Leute haben unter den Toten nach ihren Kindern gesucht. Es war so, wie wenn die in der Kirche von der Hölle erzählen. Es war heiß, und überall waren Tote und so. Es war der schlimmste Alptraum, nur war es kein Traum. So war das. Ich bin dahin, um zu helfen. Ich wollte Leute retten. Ich meine …« Terrells Stimme versagte, als könne er selbst nicht fassen, wozu das alles geführt hatte.
    »Wie auch immer«, fuhr er fort, »ich bekam langsam das Gefühl, dass das alles ein riesengroßer Fehler war. Ein echter Fehler. Ich habe mich gefühlt wie … Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ich bin also zum Ufer runtergelaufen und dachte, ich helfe einfach mit. Und dann …«
    Er unterbrach sich und drehte sich zum Fenster. Tränen liefen über sein hübsches Gesicht.
    »Und dann hast du ihn gesehen?«, fragte ich.
    »Und dann habe ich ihn gesehen«, wiederholte Terrell leise. »Direkt vor mir, am Wasser. Er war nur ein paar Schritte entfernt. Er hat mich nicht gesehen. Er stieg aus einem Boot, mit diesem Jungen, einem kleinen Jungen, vielleicht zwölf Jahre alt. Ein schwarzer Junge, klatschnass und zitternd. Und er, er packt den Jungen und hält ihn fest, als …« Terrell schüttelte den Kopf. »Als würde er ihn von da wegtragen«, sagte er. »Als würde er ihn wegtragen und dann, Sie wissen schon. Mir brach der Schweiß aus. Ich hatte schon vorher geschwitzt, aber nun brach mir so richtig der Schweiß aus, und ich zitterte. Es war so, als ob …« Er fing an zu weinen. »Scheiße. Es war, als würde alles noch mal passieren. Als passierte es noch. Als hätte es nie aufgehört. So als wäre alles, was ich seither getan hatte und was aus mir geworden war, alle meine Freunde, meine Brüder – als wäre alles weg und ich für immer in dieser ekelhaften Zeit gefangen, für immer in diesem ekelhaften Augenblick. Es war so, als wäre ich bei ihm in diesem Zimmer, immer wieder, und käme da nicht mehr raus.«
    Er hielt inne und weinte noch mehr.
    »Aber diesmal«, sagte ich, »hast du dich gewehrt.«
    Er nickte.
    »Andray und Trey«, sagte er, »haben immer gesagt: Du hast eine Knarre, benutze sie auch. Ich hatte immer eine dabei, seit ich ein kleiner Junge war. Aber ich habe nie – ich meine, ich konnte schießen, und ich habe auch manchmal geschossen, aber ich hatte noch nie jemanden erschossen. Aber dieses eine Mal habe ich es getan. Alle sagen immer, wenn man es häufig macht, fällt es einem irgendwann leicht, es geht ganz automatisch, man denkt nicht mehr drüber nach. So war das. Ich war mit ihm in diesem Zimmer, in der Hölle, in diesem Schlafzimmer, überall lagen Tote, alle schrien und weinten, und er war dabei, sich noch einen Jungen zu holen. Noch einen Jungen. Das durfte nicht sein. Es ging ganz automatisch. Ich habe kaum drüber nachgedacht. Ich habe gar nichts gedacht. In meinem Kopf ging alles durcheinander. Die ganze Scheiße. Und dann fiel mir ein, dass ich eine Waffe hatte. Und da habe ich plötzlich den Ausweg gesehen, verstehen Sie? Ich habe nicht daran gedacht, jemanden zu ermorden, ich wollte bloß, dass es endlich aufhört. Für immer. Nicht bloß für den Moment, für dieses eine Mal. Sondern für immer. Es war so, als könnte ich ihn für immer aus dem Kopf bekommen, wenn ich ihn hier, im richtigen Leben, erschoss. Und so habe ich es gemacht. Ich habe meinen Revolver rausgezogen und ihn erschossen. Ich weiß auch nicht, wie, aber ich habe ihn genau getroffen, peng, mitten ins Herz.«
    Er hielt inne, von seiner Erinnerung gebannt.
    Sie reden einem ein, es sei ganz einfach. Automatisch. Sie sagen, man würde es bald vergessen. Aber man vergisst es nie. Manche Leute sind einfach nur besser darin, sich zu verstellen.
    »Und dann?«, fragte ich sanft.
    Terrell schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich kann mich nicht erinnern. Ich bin einfach weggerannt. Ich weiß nicht mehr, wohin. Ich wollte einfach nur von da weg. Ich bin einmal durch die ganze verdammte Stadt gerannt. Ich bin erst im Audubon-Park stehen geblieben. Ich habe mir ein Versteck gesucht, so eine Art Höhle unter einem Baum. Da steht so ein riesiger Baum, dessen Äste bis auf den Boden hängen. Ich kannte das Versteck, früher habe ich da oft übernachtet. Da bin ich rein. Ich war da drinnen und habe nach Luft

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