Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
Opfer und den gesamten Fall, und er würde fast umsonst arbeiten. Seine Mithilfe wäre für Sie von unschätzbarem Wert. Er heißt Fairview, Andray Fairview. Ich werde Ihnen seine Kontaktdaten mailen.«
    »Ist er gut?«, fragte MacGowen. »Wird er mir wirklich eine Hilfe sein?«
    »Und ob er gut ist«, sagte ich. »Er ist fast so gut wie ich.«
    »Wow«, sagte MacGowen. »Das habe ich Sie noch nie sagen hören.«
    »Tja, es ist die Wahrheit«, sagte ich. »Eines Tages wird er besser sein als ich.«

    Nachdem wir aufgelegt hatten, machte ich einen zweiten Anruf.
    »Claire DeWitt«, zischte eine Frau mit einem schweren, bhutanischen Akzent. »Sie rufen hier nie wieder an. Sehr klargemacht. Nie wieder anrufen.«
    »Holen Sie den Lama ans Telefon«, sagte ich.
    »Lama spricht nicht mit Sie«, sagte die Frau beharrlich. »Lama redet nicht mit Claire DeWitt. Nie wieder.«
    »Doch, er wird mit mir reden«, sagte ich. »Sie werden sehen.«
    Nach einer kurzen Diskussion gab sie nach und holte den Lama ans Telefon. Constance hatte mich vor vielen Jahren zu ihm geschickt, um von ihm zu lernen. Ich hatte mir viel gemerkt und das meiste vergessen.
    »Claire DeWitt«, sagte der Lama mit seinem breiten kalifornischen Akzent, der ihn wie einen Surfer klingen ließ. »Mein größter Reinfall! Wie geht es Ihnen?«
    »Ganz gut«, sagte ich. »Und danke für das Kompliment.«
    »Ich hatte große Erwartungen in Sie gesetzt, Claire«, sagte er.
    »Tja, ich bin auf Enttäuschungen abonniert«, sagte ich. »Hören Sie, arbeiten Sie immer noch als Gefängnisseelsorger?«
    »Klar«, sagte er, »warum?«
    »Da ist dieser Junge«, sagte ich, »ein Junge, den ich kenne. Er braucht unbedingt jemanden wie Sie.«
    »Jemanden wie mich?«, fragte der Lama amüsiert. »Mein Gott, Claire, wenn ich mich recht erinnere, nannten Sie mich einen nutzlosen, erbärmlichen, gruseligen …«
    »Das ist kein Widerspruch«, sagte ich. »Aber Sie sind besser als nichts, und wenn irgendjemand Ihren bescheuerten Rat braucht, dann dieser Junge. Er … er hatte wirklich Pech. Das war die Kurzfassung. Er hat gute Freunde, aber er muss noch viel lernen. Er muss lernen, mit seiner schlimmen Vergangenheit zu leben, und dabei können ihm seine Freunde nicht helfen. Das Zeug, das Sie mir beigebracht haben – das könnte er gut gebrauchen. Wirklich.«
    Der Lama schwieg. Ich spürte etwas in meinem Schädel, es fühlte sich an wie eine Migräne, nur schmerzfrei. Ich wollte den Lama beschimpfen, riss mich aber zusammen.
    »Claire DeWitt«, sagte er schließlich, »vielleicht gibt es noch Hoffnung für Sie.«
    »Verlassen Sie sich nicht drauf«, sagte ich.
    »Oh, nein«, sagte er lachend. »Auf keinen Fall. Aber ja, natürlich. Natürlich kann ich mit dem Jungen arbeiten. Stellen Sie den Kontakt her.«

57
    A m Abend lief ich ziellos durch die Stadt. Ich fragte mich, ob es das letzte Mal war. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder herzukommen. Aber genau das hatte ich schon einmal gedacht. Ich fuhr zu dem Park, in dem ich damals, an meinem letzten Abend in New Orleans, die Indianer beobachtet hatte. Heute war keiner von ihnen zu sehen. Stattdessen sah ich ein Dutzend Kinder, die mit kleinen Spielzeugautos und -motorrädern durch den Park knatterten. Die Dinger erinnerten mich an die kleinen Elektrofahrzeuge, mit denen die Typen von der Shrine-Bruderschaft an Paraden teilnehmen. Die Sozialsiedlung auf der anderen Straßenseite war menschenleer, aber jemand hatte ein Stromkabel herübergezerrt, damit der Park beleuchtet war und die Kinder hier spielen konnten, das Ganze vermutlich auf Kosten der Stadt. Die Kinder waren zwischen etwa acht und dreizehn Jahren, größtenteils Jungen. Sie fuhren Kreise und Achten mit ihren kleinen Flitzern, rammten einander, kippten um und stiegen wieder auf, lieferten sich Rennen bis zu einem toten Baum und zurück, kreischten und lachten im Schein der provisorischen Lichterkette.
    Ich wollte nach Hause.
    Auf dem Rückweg zum Hotel sah ich auf dem Bordstein vor einem unbewohnten Häuserblock einen Betrunkenen sitzen. Er weinte.
    Ich dachte mir nichts dabei. Der Anblick war nicht ungewöhnlich, schon gar nicht in einer Stadt wie dieser. Beim Näherkommen aber erkannte ich seinen weißen Overall.
    Es war der Mann vom Umweltamt. Der Papageienmörder.
    Ich stellte den Motor ab, stieg aus dem Wagen und setzte mich neben ihn.
    »Komm, Kumpel«, sagte ich, »ich bringe dich nach Hause.«
    Er ließ sich nicht anmerken, ob er mich wiedererkannte.

Weitere Kostenlose Bücher