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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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fragte Leon, ob ich mir kurz die Wohnungsschlüssel ausleihen könne. Er sah mich irritiert an, sagte aber ja.
    Ich nahm die Schlüssel, verließ das Haus und ging zur nächsten Straßenecke. Ich blieb stehen, drehte mich um und lief zurück. Nette Straße, viele hübsche Häuser, protzige Apartmentgebäude wie das von Vic, mit Bougainvillea und Bananenstauden bepflanzte Vorgärten, viele frisch gestrichene Fassaden. Zum Haus gehörte kein Parkplatz, deswegen hatte Vic sicher des Öfteren in einer der Nebenstraßen geparkt. Jeden Tag war er diesen Weg gegangen, hatte die Vorgärten gesehen und die hübschen Fassaden. Sein Wohnhaus war größer als die meisten in der Gegend und so hübsch wie alle anderen auch.
    Ich schloss das Gittertor auf. Am Pool blieb ich stehen, um mit unsichtbaren Nachbarn zu plaudern. Ich betrachtete den Betonboden des Innenhofs. Keine Einschusslöcher.
    Ich verabschiedete mich von den unsichtbaren Nachbarn und stieg die Treppe hoch. Ich schloss die Wohnungstür auf und legte die Schlüssel auf das antike Tischchen, das zu genau diesem Zweck im Flur aufgestellt war.
    Ich sah Leon, der den Fernseher eingeschaltet hatte.
    »Erschießen Sie mich«, sagte ich.
    Leon hob die zu einem Revolver geformte Hand in die Höhe und erschoss mich. Ich taumelte rückwärts. Ich fiel zu Boden und betrachtete die Stelle, an der ich lag. Nichts. Keine Einschusslöcher, keine Schäden im Teppich, kein Blut.
    »Könnten Sie mir einen Gefallen tun?«, fragte ich.
    Leon wirkte unsicher. »Natürlich. Klar. Kommt drauf an.«
    »Könnten Sie mal nach draußen gehen und klingeln?«
    Leon machte ein erleichtertes Gesicht und ging hinaus. Ich setzte mich aufs Sofa. Es klingelte an der Tür. Ich blieb sitzen. Es klingelte noch einmal. Ich schaltete ein anderes Programm ein. Leon klingelte wieder. Diesmal stand ich auf, ging zur Tür und öffnete sie.
    »Mein Gott«, sagte ich, »Sie sind es!«
    Leon lächelte und spielte mit. Jeder liebt Ratespiele.
    »Und ich habe eine Waffe!«, sagte er.
    »Sie bedrohen mich?« Ich wich ein paar Schritte zurück.
    »Ja«, sagte Leon. »Ich bedrohe Sie mit meiner Pistole. Eine echte Bedrohung mit einer echten Pistole.«
    Ich überlegte kurz. Leon reckte mir seine Pistolenhand entgegen.
    »Er hätte sich umgedreht«, sagte ich, »um seinen Revolver zu holen.«
    Ich lief ins Arbeitszimmer.
    »Peng!«, rief Leon hinter mir her.
    »Peng«, wiederholte ich. Ich ging auf die Knie und untersuchte den Teppich. Keine Löcher, keine Kratzer.
    »Haben Sie einen Metalldetektor?«, fragte ich.
    »Äh … nein«, sagte Leon.
    Manchmal verstehe ich die Leute nicht. Für Menschen wie Leon war es wohl selbstverständlich, dass ein anderer den Metalldetektor mitbrachte oder die Lupe, dass ein anderer die Fingerabdrücke nahm. Jedenfalls war Vic höchstwahrscheinlich nicht in seiner Wohnung erschossen worden. Kein Blut, keine Patronenhülsen, keine Unordnung.
    Ich verließ die Wohnung, lief einmal um den Block und dachte an nichts. Ich kam mit freiem Kopf zurück. Ich schloss die Wohnungstür auf und fing von neuem an. Leon saß auf dem Sofa und schaute sich eine Kuppelshow an.
    »Sie bezahlen weiterhin fürs Kabelfernsehen?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Leon, »nur für den Strom. Das Fernsehen wurde einfach nicht abgeschaltet.«
    Ich legte meine Schlüssel und die unsichtbare Post auf das kleine Tischchen, das zu diesem Zweck neben der Eingangstür aufgestellt worden war. Ich zog meine Schuhe aus und ging ins Bad. Ich ging in die Küche und tat so, als suchte ich nach etwas Essbarem. Ich nahm meinen unsichtbaren Imbiss mit ins Wohnzimmer.
    Da fiel es mir auf. Irgendetwas stimmte nicht im Wohnzimmer. Ich blieb stehen und schaute mich minutenlang um, bevor ich merkte, was es war.
    Die Möbel. Die Möbel standen am falschen Platz. In einem klassisch protzig eingerichteten Apartment wie diesem hätten die Wohnzimmermöbel symmetrisch angeordnet sein müssen. Doch das waren sie nicht.
    Das Sofa stand wie zu erwarten in der Mitte. Ein Lehnsessel stand im passenden Abstand daneben, aber der andere war um einen knappen Meter verrückt.
    »Haben Sie den Sessel umgestellt?«, fragte ich Leon.
    »Äh, nein«, antwortete er. »Hätte ich das tun sollen?«
    Ich schob den Sessel beiseite und betrachtete den Teppichboden darunter. Die Eindrücke waren tief; der Sessel stand schon immer hier.
    Ich setzte mich. Schaute Leon geradeaus, sah er den Fernseher. Schaute ich geradeaus, sah ich das Schlafzimmer.
    Nein, nicht

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