Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
klebte links an Nana und rechts an Germinal fest. Das Buch ließ sich nur unter lautem Knacken öffnen. Vic hatte nichts davon gelesen. Ein Inneneinrichter oder ein Buchhändler hatte die Regale in seinem Auftrag bestückt.
    Im Sachbuchregal fand ich eine Gebrauchsanleitung für Vics Computer, eine für sein Auto und etwa hundert Bücher über New Orleans, die so aussahen, als hätte sie tatsächlich jemand gelesen. Sie waren grob nach Themen geordnet: Küche, Geschichte, Politik, Architektur. Ganz unten standen zehn Bücher über die Mardi-Gras-Indianer, auch Schwarze Indianer oder Indianergangs genannt.
    Bei diesen Indianern handelte es sich um Gruppen von zumeist schwarzen Männern aus New Orleans, die zum Mardi Gras, am Josefstag und anderen Feiertagen zusammenkamen, um zu musizieren, zu tanzen und in ihrer eigenen merkwürdigen Sprache zu singen. Mit den amerikanischen Ureinwohnern hatten sie nichts zu tun. Manche der Musiker, Bo Dollis zum Beispiel, waren so talentiert, dass sie von ihren Auftritten leben konnten. In Amerika waren sie so gut wie unbekannt, aber in Europa und Asien – und in ihrer Heimat New Orleans – galten sie als Stars. Die Indianer schlossen sich zu Stämmen zusammen, sogenannten Krewes, die Namen trugen wie Wild Magnolias oder White Hawks. Die Stämme waren hierarchisch geordnet, es gab festgelegte Zeremonien, Aufgabenbereiche und Rangfolgen. Jeder Stamm schickte seinen Spy Boy los, um Treffen mit anderen Stämmen einzufädeln oder zu vermeiden. Der Witch Doctor war der spirituelle Führer des Stammes und der Big Chief  – natürlich – der oberste Anführer. An Feiertagen zogen sie ihre Kostüme an, die ein wenig an Indianer erinnerten und noch mehr an Las Vegas – Pailletten, Perlen, Federn.
    Solange ich in New Orleans war, hatten die Indianer mich immer fasziniert, aber verstanden hatte ich sie nie. Constance hatte indianische Freunde gehabt, sich aber geweigert, sie mir vorzustellen.
    »Die sind kompliziert«, hatte sie gesagt, »und empfindlich.«
    Einmal hatte ich Indianer in Aktion erlebt, weit entfernt von den Touristen und Monate vor dem Mardi Gras, eine Gruppe von Männern in einem verdreckten Park, die sangen und ihre Instrumente spielten. Das war zehn Jahre her. Ich hatte gerade erfahren, dass Constance ermordet worden war, war ziellos durch die Stadt gefahren und hatte versucht, vor meiner Abreise so viele Eindrücke wie möglich aufzunehmen. Ohne Constance gab es keinen Grund zu bleiben. In der Nähe des Shakespeare Park hatte ich Trommeln gehört. Ich war auf die Bremse gestiegen in der Hoffnung, einen Blick zu erhaschen.
    Die Männer kauerten beieinander, manche hatten Kuhglocken und Klanghölzer und Tamburine dabei und schlugen einen Rhythmus zum Gesang. Der Mann in der Mitte hatte himmelwärts verdrehte Augen und flatternde Lider, unter denen man das Weiß blitzen sah. Er stieß einen Singsang aus.
    Aber dann bemerkten die Männer mich und brachen ab. Der Gesang erstarb, und die Männer gingen in verschiedene Richtungen auseinander. Als ich aus dem Auto gestiegen war, schien es, als wäre nichts passiert.
    Die Männer hatten in ihrer eigenen Indianersprache gesungen, aber dazwischen hatten sie ein paar englische Brocken eingestreut.
Schwester Constance,
Schwester Constance,
Du bist zu früh gegangen …
    Anscheinend hatten die Indianer auch Vic fasziniert oder wenigstens interessiert. Ich zog einen Stuhl heran und sah auf dem Regal nach. Nichts. Wo ich schon einmal da oben stand, schaute ich mich im Zimmer um. Nichts als Staub.
    Unter der Anrichte befand sich ein Safe. Ich bückte mich unter den Schreibtisch und verdrehte den Hals. Die Kombination war mit einem Stück Klebeband auf der Unterseite der Tischplatte befestigt: 8–18–85. Ich sah mir die Seriennummer des Safes an. Der Zahlencode entsprach dem Kaufdatum.
    Im Safe eine weitere Enttäuschung. Ein lausiger, vom Rost starrer .22er Revolver und nicht einmal tausend Dollar in bar. Ich ließ den Safe für Leon offen stehen.
    Ich setzte mich an Vics Schreibtisch. Vor mir lagen ein paar noch nicht abgeheftete Dokumente, die ich mir ansah. Uninteressant. Ich schaltete den Computer ein. Der Desktop war fast leer. Der Browserverlauf zeigte Wetterseiten, das Fernsehprogramm, noch mehr Wetter und die Homepages dreier verschiedener Mardi-Gras-Krewes. Vics E-Mails waren beruflich und langweilig oder privat und langweilig. Er wurde zu vielen Dinnerpartys eingeladen. Er sagte nur selten zu.
    So viel zum Büro. Ich

Weitere Kostenlose Bücher