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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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aus, sagten seine Augen. Mach schon. Los jetzt.
    Ich sagte nichts. Ich kannte diesen Blick.
    »Es stimmt«, insistierte der Dreadlockjunge, »er hat es getauft. Jetzt ist es so was wie geweint.«
    Wahrscheinlich meinte er geweiht, aber geweint gefiel mir noch besser. Heilige Tränen!
    Ich betrachtete mein Auto und entdeckte eine Pfütze unter dem Vorderreifen. Der Reifen war nass. Wahrscheinlich hatte der Selbstmordjunge dagegen gepinkelt. Das nannte ich eine Weihe.
    Der Dreadlockjunge lächelte. Der Selbstmordjunge lächelte nicht. Er starrte mich weiter an in der Hoffnung, seinem Leiden würde ein Ende gemacht.
    Da konnte er lange warten. Zumindest, was mich anging.
    »Hey«, sagte Dreadlockjunge, »was bedeuten die Tattoos?« Ich habe über ein Dutzend Tätowierungen, aber sehen konnte er nur zwei: das T auf meinem linken Handgelenk, das K auf dem rechten.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich war betrunken.«
    Ich ging um den Wagen herum zur Beifahrertür, schloss sie auf und stieg ein. Endlich stieß sich der Selbstmordjunge von der Fahrertür ab und trat einen Schritt zurück. Ich kletterte auf den Fahrersitz, ließ den Motor an, fuhr los, ohne die beiden eines weiteren Blickes zu würdigen, und ließ den kleinen Zwischenfall eines natürlichen Todes sterben.
    Im Rückspiegel sah ich die beiden Jungen auf der Straße stehen. Dreadlockjunge lachte, Selbstmordjunge lachte nicht.

    Auf dem Rückweg nach Downtown rief ich einen Bekannten an, der als Polizeireporter bei der Picayune Times arbeitete. Vielleicht wusste er etwas über Vic Willing.
    »Hey, Jimmy«, sagte ich, »hier spricht Claire DeWitt.«
    Er lachte. »Du liebe Güte. Im Ernst, wer ist da?«
    »Claire«, wiederholte ich. »Jimmy, hier spricht Claire. Ich bin in der Stadt.«
    »Nein, im Ernst«, sagte er, »ich bitte Sie. Wer ist da?«
    »Wirklich«, sagte ich, war mir aber selbst nicht mehr sicher. »Ich bin’s. DeWitt.«
    »O Gott«, sagte er, »wirklich? Im Ernst. Du rufst mich an? Spreche ich wirklich mit Claire DeWitt?«
    »Ja«, sagte ich, unsicherer denn je, ob ich tatsächlich Claire DeWitt war. »Ich bin’s. Hör mal, ich weiß, dass wir nicht unbedingt …«
    »O mein GOTT«, wiederholte er. »Das ist ein Ding. Das ist ja nicht zu fassen. Claire DeWitt. Ach du Scheiße.«
    »Na ja, ehrlich gesagt brauchte ich deine …«
    »O nein. Nein. Auf keinen Fall. Ich weiß gar nicht, wieso ich mit dir rede. Nein. Tut mir leid, nein. Ich sollte nicht mal mit dir reden. Das weißt du doch? Genau genommen rede ich auch nicht mit dir.«
    Er legte auf.
    Es war besser gelaufen, als ich erwartet hatte.

6
    D as Hotel hatte mir kostenlosen W-LAN-Zugang zugesichert. FREE WI-FI, hatte es auf der Webseite geheißen. Bei der Zimmerreservierung hatte ich besonders darauf geachtet.
    »Sie haben doch W-LAN?«, hatte ich gefragt.
    »Natürlich«, hatte der Rezeptionist gesagt. »Alle unsere Zimmer bieten einen drahtlosen Internetzugang an.«
    Seit meinem Einzug war ich kaum länger als drei Minuten am Stück im Internet gewesen.
    »Das ist die Schuld von Cox«, sagte der Rezeptionist. Zuerst dachte ich, dass er von dem Idioten sprach, der das Netzwerk kaputt gemacht hatte. Dann merkte ich, dass er Cox meinte, den Internetanbieter. »Die machen es dem Kunden nicht leicht. Cox. Die lassen einen hängen.«
    Am nächsten Morgen machte ich nach ein paar erfolglosen Versuchen ein Café in der Frenchman Street ausfindig, das seinen Gästen kostenlosen Internetzugang anbot – nicht über den eigenen Router, sondern über den des benachbarten Fahrradladens.
    »Cox liebt die«, sagte die junge Frau hinterm Tresen verbittert, als sie meinen Espresso zapfte. »Bei denen wird immer alles sofort repariert.«

    Um drei Uhr wollte ich mich mit Leon in Vics Wohnung treffen. Ich war schon um halb drei vor Ort, parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite und beobachtete das Haus. Vics Wohnung lag am südlichen Ende der Bourbon Street am Rand des French Quarter in einem alten Apartmenthaus im spanischen Stil, das Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gebaut worden war. Die Gegend war ruhig; der Lärm und die Menschenmassen und die Kotze der Upper Bourbon schwappten nicht bis hierher. Ich hatte vergessen, dass in New Orleans jeder Häuserblock wie eine eigene Welt war; die Einheimischen teilten ihre Stadt blockweise in gute und schlechte Wohngegenden ein. Dieser Teil der Bourbon Street war ruhig und zumindest dem Anschein nach ein reines Wohngebiet, wenn man auch wetten konnte,

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