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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Vic Willing. Wer hat Sie auf den Fall angesetzt?«
    »Sein Neffe«, sagte ich. »Der Mann ist während des Sturms verschwunden. Kannten Sie ihn?«
    Damals, als ich noch hier wohnte, war Mike Polizist gewesen. Inzwischen arbeitete er als Privatdetektiv. Constance hatte ihn darauf gebracht. Er war nicht sonderlich gebildet, aber er war ein cleveres Kerlchen und hatte Talent. Ich vertraute ihm. Zumindest vertraute ich ihm nicht weniger als allen anderen.
    »Ja«, antwortete Mike, »er hat mich ein paar Mal angeheuert. Wir sind uns auch sonst hin und wieder über den Weg gelaufen, Sie wissen schon, im Gericht, bei Spendengalas und so.«
    Ich war auf der Claiborne unterwegs, hoch oben in Uptown. Vor mir fuhr ein riesiger, weißer Kranwagen, einer von diesen Lastern mit Hydraulik-Arm, der einen Mann zehn oder fünfzehn Meter in die Höhe heben kann, um einen Telefonmast zu reparieren oder eine Fensterscheibe zu putzen. Der Kranwagen hielt an der nächsten Straßenkreuzung neben einem Geflecht aus Stromkabeln. Ich hielt ebenfalls. Ich konnte gleichzeitig fahren und telefonieren, aber in dem Fall gelang mir beides nicht besonders gut.
    »Und?«, fragte ich.
    »Und«, sagte Mike, »ich weiß auch nicht.«
    »Was wissen Sie nicht?«
    Zwei Männer in weißen Overalls stiegen aus dem Kranwagen, schauten an dem Mast hoch, an dem die Stromkabel zusammenliefen, und berieten sich. Ich sah mich um. Augenscheinlich funktionierte die Stromversorgung hier tadellos.
    »Ich weiß auch nicht«, sagte Mike, »ich meine, ich will nicht behaupten, er sei ein schlechter Mensch gewesen.«
    »Natürlich nicht«, sagte ich und dachte, dass er wahrscheinlich genau das behaupten wollte. »Aber?«
    »Na ja, er war in Ordnung«, sagte Mike wie zu seiner Verteidigung, »er war immer fair, wenigstens zu mir.«
    »Aber?«, fragte ich.
    Die Männer kletterten auf den Kranwagen. Der eine hüpfte in den Transportkorb, der andere stellte sich an die Schalttafel.
    »Aber da stimmte was nicht«, sagte Mike. »Nicht, dass er irgendwas gesagt oder getan hätte. Es war so … es war, als würde manchmal eine Wolke über ihm hängen.«
    »Eine Wolke?«, fragte ich.
    »Eine schwarze Wolke«, sagte Mike. »Irgendwas stimmte nicht mit ihm.«
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Keine verdammte Ahnung«, sagte Mike.
    Mehr hatte er zum Thema Vic nicht zu sagen. Er lud mich zum Abendessen mit seiner Familie ein, draußen in Metairie. Ich sagte, ich würde kommen, falls ich Zeit hätte. Ich hatte nicht vor zu kommen.
    Eine schwarze Wolke. Ich hatte sie in der Wohnung gefühlt, einen Augenblick lang.
    Eine ganze Weile beobachtete ich die Männer im Kranwagen. Ich konnte mir nicht erklären, was sie taten.
    Ich fuhr weiter.

    »Der Detektiv glaubt, er kläre einen Mord auf oder die Entführung eines Mädchens«, schrieb Silette. »Aber in Wahrheit beschäftigt er sich mit etwas völlig anderem, das er nicht benennen kann. Befriedigung stellt sich nur selten ein. Unsicherheit wird ihm zur zweiten Natur. Jede Gewissheit ist flüchtig. Der Detektiv umkreist immerzu das eigentliche Objekt der Begierde, ohne es je ganz zu sehen.
    Wir machen nicht trotz alledem weiter, wir machen wegen alledem weiter.«

11
    A bends lag ich im Bett und las mir die Unterlagen über Andray Fairview durch. Er war gestern Nachmittag verhaftet worden; man hatte ihn und fünf andere beim Herumlungern hochgenommen. Vermutlich hatte er eine oder zwei Stunden vorher gegen meinen Truck gepinkelt. Bei der Durchsuchung stellte man – Überraschung! – eine halbautomatische Neunmillimeterpistole sicher, dazu ein Tütchen mit Crack oder Kokain, eine größere Tüte Marihuana (der Inhalt beider Tüten würde noch genauer untersucht werden) und nicht weiter benanntes Drogenzubehör. Von Bargeld war nicht die Rede, was die Anklage erschwerte, aber, davon war ich überzeugt, die Cops ein bisschen reicher gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte es sich eher um Raub in Uniform gehandelt als um eine echte Verhaftung. Andray würde höchstens ein paar Tage einsitzen.
    Andray war achtzehn Jahre alt, Afroamerikaner und in New Orleans zur Welt gekommen. Vater unbekannt, Mutter abgetaucht, nachdem sie Andray im Alter von drei Jahren mit einem falsch geschriebenen Vornamen und einer angeborenen Crack-Abhängigkeit in einem Krankenhaus abgegeben hatte. Offiziell war Andray der staatlichen Fürsorge erst seit sechs Monaten entwachsen, hatte aber zuletzt vor sechs Jahren in einer Pflegefamilie gelebt. Danach war das

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