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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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die Abdrücke von Kühlschränken und Eistruhen im Linoleumboden. In einer Ecke war ein Rohr undicht, und das Wasser lief zu einer Pfütze zusammen. Überall standen Tische und billige Plastikstühle herum, die schon zu viele Vorbesitzer gehabt hatten. Es gab Kaffee, gefärbtes Zuckerwasser und Donuts. In einer Wanne in der Ecke, in der zwei junge Mädchen wühlten, lagen alte Klamotten und Schuhe. Die Mädchen kicherten und begutachteten die Stücke, als wären sie beim Shoppen.
    Die Jugendlichen hatten sich zu Grüppchen zusammengeschlossen: weiße Punks, schwarze Gangster, weiße Gangster, Transen und Schwule, dazu eine Gruppe Mädchen verschiedener Hautfarben, die offenbar auf den Strich gingen. Einige hatten Kinder dabei, Kleinkinder und Säuglinge. Als wir eintraten, winkte die Hälfte der Kids Mick zu, einige kamen angelaufen.
    Eine der Jugendlichen, ein Strichmädchen, kämpfte mit den Tränen. Als Mick ihr eine Hand auf die Schulter legte, brachen alle Dämme. Alle blickten sie an.
    »Oh, Mister Mick«, schluchzte sie, »Mister Mick.«
    Mick zog das Mädchen an seine Brust. Sie lehnte sich an und schluchzte laut. Die anderen Jugendlichen wichen zurück, um sie nicht zu bedrängen. Vermutlich war das Diamond.
    Mick führte das Mädchen an einen der Tische. Ich holte mir einen Kaffee. Die Jugendlichen hörten sich an wie überall auf der Welt – laut, albern, aufgedreht. Und doch waren sie anders. Diese Jugendlichen lebten so, wie Mick einst gelebt hatte. Kein Erwachsener auf der Welt schien genug Liebe oder Geld oder Verantwortungsbewusstsein aufzubringen, um sich um sie zu kümmern. Immer schon waren vernachlässigte Jugendliche in New Orleans ein Problem gewesen, aber seit dem Sturm machten sie sich breit wie eine Seuche. Tausende von Eltern waren dort geblieben, wo die Flucht sie hingeführt hatte, und sie hatten ihre Kinder nach New Orleans zurückgeschickt mit dem Versprechen, sie so bald wie möglich nachzuholen.
    Als Mick mit Anfang zwanzig Constance kennenlernte, war er schon jahrelang auf sich selbst gestellt gewesen. Er hatte den Supermarkt überfallen, in dem sie gerade eine Flasche Evian kaufen wollte. Mick hatte Constance ausrauben wollen. Aber sie hatte etwas in ihm erkannt, und nach einer langen Unterhaltung hatte er ihr das Evian gekauft und sich daraufhin zum Detektiv ausbilden lassen. Constance brachte, um bei Silette zu bleiben, den Detektiv in ihm zum Vorschein.
    Ich nahm meinen Kaffee und setzte mich zu einer Gruppe von Jungen, die wie Andray aussahen – jung, schwarz, arm und so voller Leben, dass sie all ihre Kraft aufbringen mussten, um es zu unterdrücken und cool zu bleiben. Ich wollte sie belauschen, aber ihr Akzent war so stark, dass ich nur jedes dritte oder vierte Wort verstand, und das war immer nigga. Nach einer Weile bemerkte mich einer, dann ein zweiter Junge. Ganz offenbar empfanden sie meine Anwesenheit, die ihnen genauso unerklärlich war wie mein Interesse an ihnen, als unangenehm.
    Ich aber wusste, ich war nicht ohne guten Grund hier. Es gab keine Zufälle. Es gab nur Gelegenheiten, die man aus Dummheit nicht ergriff, und Türen, die man vor lauter Blindheit nicht sah.
    »Verzeihung«, sagte ich zu dem Jungen, der mir am nächsten saß. Er war klein und kaum älter als zwölf oder dreizehn. Er hatte ein rundes, süßes Gesicht. »Darf ich mal was fragen?«
    Er sah mich an und nickte verunsichert. Seine Freunde verstummten und starrten mich an.
    »Kennst du einen jungen Mann in etwa deinem Alter, der Lawrence heißt? Seine Mutter heißt Shaniqua und arbeitet bei LaVanna.«
    Lawrence war der Junge, dem Vic Willing aus reiner Gutherzigkeit aus der Patsche geholfen hatte. Ich hatte versucht, die zahlreichen Nummern anzurufen, die seine Mutter mir gegeben hatte und die alle entweder abgeschaltet oder erfunden waren.
    »Klar«, sagte einer der Jungen vorsichtig. Er war älter und größer und sah ernst aus. »Ich kenne ihn.«
    »Weißt du, wo ich ihn finden kann?«, fragte ich.
    Die Jungen schwiegen und wandten sich ab.
    »Ich bin nicht von der Polizei«, erklärte ich hastig, »ich bin Privatdetektivin. So wie im Fernsehen. Schaut her.« Ich zog meine kalifornische Zulassung heraus und zeigte sie ihnen. »Ich ermittle in einem Fall. Lawrence könnte ein wichtiger Zeuge sein.«
    Alle Jungen lachten verwundert.
    »Wie bei Magnum «, sagte einer.
    »Genau«, sagte ich, »nur ohne Chef.«
    »Ach was«, sagte der erste Junge, den ich angesprochen hatte, der süße. »Sie sind

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