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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Die Eiche, in der Vics Vögel lebten.
    Der Mann hielt ein Klemmbrett aus Aluminium in der Hand und schaute zu Vics Balkon hinauf.
    »Hallo«, sagte ich.
    Der Mann zuckte zusammen und drehte sich um.
    »Sie haben mich erschreckt«, sagte er verärgert. »Gehört die Wohnung Ihnen?«
    »Nein«, sagte ich, »meinem Freund. Was ist denn?«
    Er griff in seinen Overall, zog eine Brieftasche heraus und zeigte mir flüchtig einen Ausweis und eine Dienstmarke. Ein hässlicher Mann, gedrungen, mit unfreundlichem Gesicht und wenig Haltung. Er hatte schwarzes Haar, seine braune Gesichtshaut war von Aknenarben überzogen, und er runzelte die Stirn.
    »Umweltamt«, sagte er und ließ die Brieftasche zuschnappen.
    »Immer mit der Ruhe, Kumpel«, sagte ich. »Dürfte ich das bitte noch mal sehen?«
    Er zuckte die Achseln und warf mir die Brieftasche zu. Ich klappte sie auf und schaute hinein. Der Ausweis sah echt aus. Ich gab ihm die Brieftasche zurück.
    »Was wollen Sie hier?«, fragte ich.
    »Uns wurde berichtet, dass hier eine invasive Art gefüttert wird«, sagte er. »Quäkerpapageien. Die sind verboten, wissen Sie.«
    »Wie kann ein Vogel verboten sein?«, fragte ich. »Was wirft man ihm vor? Drogenhandel? Hausfriedensbruch?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Da müssen Sie meinen Boss fragen. Ich habe nur die Aufgabe, sie zu eliminieren.«
    »Eliminieren?«, wiederholte ich.
    Er nickte. Wir sahen einander an.
    »Sind Sie von hier?«, fragte ich.
    »Von hier?«, fragte er verwirrt und schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme aus D. C. Ich bin nur wegen der Eliminierungsaktion hier.«
    »Tja, wir sind hier in New Orleans, Kumpel«, sagte ich, »und hier wird niemand eliminiert.«
    Er funkelte mich an. »Als Behördenvertreter bin ich befugt …«
    »Du bist befugt, deinen Arsch aus der Schusslinie zu nehmen«, sagte ich und legte eine Hand an meinen Revolver. »Indem du sofort von hier verschwindest.«
    Der Mann sah kein bisschen schockiert oder überrascht aus, nur resigniert. Vermutlich war er derlei Reaktionen gewohnt. Er steckte das Klemmbrett in seinen Arbeitskoffer und entfernte sich.
    »Ihr sammelt die Nester ein«, rief ich. Endlich war der Groschen gefallen. »Die Vögel mögen es warm, deswegen nisten sie auf den Transformatoren. Ihr habt ihr Zuhause zerstört.«
    »Die sind gefährlich«, sagte der Mann. »Von ihnen geht eine Brandgefahr aus.«
    »Genau«, sagte ich, »anders als von Menschen!«
    »Sie fressen die Saat«, sagte der Mann.
    »Genau«, sagte ich. »Die Weizenfelder von New Orleans werden es überstehen, das garantiere ich Ihnen.«
    Der hässliche Mann musterte mich. Vielleicht war er gar nicht so hässlich. Möglicherweise konnte ich ihn nur nicht leiden.
    »Was kümmert Sie das?«, fragte er. »Kann Ihnen doch egal sein.«
    »Es ist mir egal«, sagte ich. »Scheißegal. Wichser.«
    Ich sah nach oben. Im Baum saßen zwei dicke, plumpe Papageien. Ein Pärchen. Viele Vogelarten, die meisten sogar, gehen lebenslange Partnerschaften ein, länger zumindest als die meisten Menschen.
    Der Mann stieg in den Kranwagen, machte sich eine Notiz und fuhr los. Ich sah hinauf. Die beiden Papageien schauten herunter. Einer von ihnen kreischte.
    »Gern geschehen«, sagte ich.
    Ich betrachtete den Baumstamm. Rings um die Wurzeln hatte jemand ein blaues Pulver gestreut, das mich an das Rattengift in New York erinnerte.
    Den Rest des Vormittags verbrachten Jackson und ich damit, den Baum mit einem Wasserschlauch aus Vics Haus abzuspritzen. Wir spülten das blaue Gift weg und hofften, nicht erwischt zu werden, bevor wir fertig waren.

46
    A m Abend fuhr ich durch die Gegend in der Hoffnung, irgendetwas würde passieren. Aber nichts passierte. Wenigstens nicht mir. Anderen Leuten passierte jede Menge; andere Leute lachten, schossen um sich, tranken, beteten vergeblich, zeugten neues Leben, verliebten sich. In der Josephine Street stürzte ein Haus ein. Ich war in der Magazine Street und hörte einen Knall, laut wie ein Kanonenschuss. Eine Kanone war nicht auszuschließen, aber als ich der Einsturzstelle näher kam, sah ich einen riesigen Wolkenpilz aus Staub und Asche. Das Haus war mir früher schon aufgefallen, es war hübsch, oder war hübsch gewesen. Der Sturm hatte das Dach abgedeckt. Ein Feuer hatte es entkernt und ein schwarzes Gerippe stehenlassen. Aber es hatte gestanden, immerhin, bis heute Abend. Um das eingestürzte Haus hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Die Leute lachten und schüttelten verwundert den

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