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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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kümmern.«
    Er schaltete das Radio ein. Zu meiner Überraschung lief nicht einer der zehn Millionen Hip-Hop-Sender der Stadt, sondern WWOZ. Die Oak Street Brass Band gab ein Studiokonzert.
    Als die Band die ersten Takte von Eliza Jane spielte, brachen die Jungen auf der Rückbank in Gejohle aus.
    »Unsere Freunde spielen in der Band«, erklärte mir der eine.
    »Ihr macht Musik?«, fragte ich und drehte mich um.
    »O ja!«, sagte der unauffällige Junge auf der Fahrerseite. »Tuba. Ich spiele manchmal bei denen mit. Vor ein paar Monaten sind wir im Maple Leaf aufgetreten. Als Vorgruppe von Bo Dollis«, fügte er stolz hinzu.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich und drehte mich wieder um. »Ich habe Bo Dollis, na wie oft, also mindestens fünf Mal gesehen. Und du?«, sagte ich zu dem anderen. »Was spielst du?«
    »Scheiße, ich spiele gar nichts«, lachte er. Er hatte hellere Haut, Sommersprossen und ein lustiges, freundliches Gesicht. »Ein bisschen Schlagzeug. Aber nicht besonders gut. Wenn ich bei den Red Eagles bin, spiele ich Tamburin.«
    »Du bist bei den Red Eagles?«, fragte ich ungläubig. Die Red Eagles waren eine der spektakulärsten Indianergangs von New Orleans. »Himmel, ich habe euren Umzug gesehen – du liebe Güte, das ist über zehn Jahre her. 1995.«
    Der Junge johlte. »Fünfundneunzig«, rief er, »war ich dabei! Ich war vier. Es war mein erster Umzug.«
    Ich konnte mich noch an den Tag erinnern. Constance hatte mich in den Park mitgenommen, in dem die Indians probten. Die Männer mit den perlenbestickten Kostümen und dem Kopfschmuck kauerten beisammen, sangen und tranken, während die Unkostümierten ringsum ihre Rhythmusintrumente schlugen: Tamburin, Klangholz, Kuhglocke. Daneben hatte ein kleiner, vollständig kostümierter Junge gestanden, der mir kaum bis ans Knie reichte. Er hielt einen kleinen Schellenkranz in der Hand, tanzte herum und stieß gelegentlich eine Art wilden Indianerschrei aus. Die Mutter des Kleinen war mit Constance befreundet, und sie rief ihn herbei, damit er uns begrüßte. Sie nahm ihn auf den Arm, damit Constance ihn küssen konnte; ein kleiner Klumpen Babyspeck mit zwanzig Kilo Federn und Pailletten drum herum.
    Alle kannten Constance. Neben uns schwitzte der Chief in seinem Kostüm und sang. Er verdrehte die Augäpfel und gab sich einer Art Trance hin.
    New Orleans war der erste Ort für mich, an dem die Magie etwas Reales war.
    »Verdammte Scheiße«, sagte ich zu dem Jungen auf der Rückbank, »ich kann mich an dich erinnern. Ich kenne deine Mutter.«
    »Scheiße«, sagte der Junge.
    »Ja«, sagte ich. »Deine Mutter war eine Freundin meiner Freundin. Eine ältere Lady, für die ich gearbeitet habe.«
    Die Jungen auf der Rückbank sahen einander schweigend an. Jetzt lachte niemand mehr.
    Wir fuhren weiter.
    In Central City verließen wir die Washington Avenue kurz vor der Dryades Street und hielten vor einer Baulücke.
    Niemand sprach ein Wort. Die Band spielte eine interessante Version von Iko Iko. Als das Stück zu Ende war, schaltete der Fahrer das Radio aus.
    Ich atmete langsam und ruhig und betete. Constance hatte mich für zwei Monate zu einem Lama nach Santa Cruz geschickt, und plötzlich, in der Not, fielen mir seine Gebete wieder ein, genau so, wie er es vorausgesagt hatte.
    Om dum durgeya namaah.
    Der Fahrer betätigte die Zentralverriegelung und ließ die Türschlösser aufspringen. Alle außer mir legten eine Hand an einen Griff.
    Om gum gunaputayi swaha, wiederholte ich in Gedanken.
    »Wartet mal«, sagte Andray mit lauter Stimme. »Ihr Nigger, wartet mal.«
    Alle warteten.
    Aham prema. Dein Wille geschehe.
    »Es braucht keine vier Leute für den Job. Ich kümmere mich um sie.«
    Im Rückspiegel sah ich die Augen des Jungen, den ich bei den Indianern gesehen hatte. Er schaute beiseite.
    Om shanti shanti shanti. Dein Reich komme, dein Wille geschehe.
    Der Fahrer sah Andray an. »Sicher?«, sagte er.
    Andray nickte.
    Heiliger Judas Thaddäus, erhöre meine Gebete.
    »Hey, Quan«, sagte der Fahrer zu dem Jungen mit der Neunmillimeter. »Gib sie Andray.«
    Quan zog die Waffe aus der Hose und reichte sie Andray.
    »Igitt«, sagte Andray, »die ist ja ganz warm.«
    Alle lachten.
    Heiliger Josef, beschütze mich.
    »Sicher?«, wiederholte der Fahrer. »Du machst das?«
    Herr, vergib mir meine Sünden, so zahlreich, dass sich das Zählen nicht lohnt, verdammt.
    Andray nickte.
    »Na gut«, sagte der Fahrer. Andray stieß die Tür auf und sprang aus dem

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