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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Hummer. Ich sprang hinterher.
    »Hey, mach die Tür zu!«, rief der Fahrer, verärgert über meine schlechten Manieren.
    Ich schlug die Tür zu. Der Hummer fuhr weg.
    Ich drehte mich zu Andray um. Wir standen uns in der Kälte gegenüber. Andray schüttelte den Kopf, als sei er von mir enttäuscht.
    »Irgendwie mag ich Sie, Miss Claire«, sagte er.
    »Danke, Andray«, sagte ich. »Ich mag dich irgendwie auch.«
    Manche Leute werden mutig, sobald man ihnen eine Waffe gibt. Der Machtrausch kann sehr intensiv sein. Das galt nicht für Andray. Er sah aus, als habe er nicht wirklich Lust auf die Aufgabe, die ihm bevorstand.
    Ich hoffte bei Gott, dass ich ihn richtig einschätzte.
    »Ich mag Ihre Tattoos«, sagte er und schaute auf meine Handgelenke. »Wofür stehen die Buchstaben?«
    »Meine Freundinnen«, sagte ich. »Ich war damals noch sehr jung. Jünger als du heute.«
    »Sind die immer noch Ihre Freundinnen?«, fragte Andray.
    »Nein«, antwortete ich, »die eine ist tot, und die andere hasst mich.«
    Andray runzelte die Stirn, als hätte er eine bessere Geschichte erwartet. Auf der einen Seite wurde die Baulücke von einer leerstehenden Lagerhalle aus Backsteinen begrenzt, an deren Seitenwand noch eine alte Werbeaufschrift zu erkennen war. New Orleans wacht auf mit COMMUNITY COFFEE!
    »Haben Sie noch mehr?«, fragte er. »Tätowierungen.«
    »So ungefähr zehn Stück«, sagte ich. »Vielleicht auch zwanzig. Freiheit oder Tod. Das hast du noch nicht gesehen, es steht auf meinem Rücken.«
    »Was ist das da, am Arm?«, fragte er und zeigte mit der Pistole darauf.
    Ich schaute nach. Ich schob den Ärmel hoch, damit er besser sehen konnte. Eine Lupe, darüber ein Fingerabdruck.
    Om shanti shanti shanti.
    Andray nickte.
    »Das gefällt mir. Freiheit oder Tod. Lass dir nichts gefallen. Aber zuerst«, sagte er, »muss ich was erledigen.« Er stampfte auf den Boden und sah sich frierend um.
    »Hören Sie mal, Miss Claire«, sagte er und sah mir direkt in die Augen, »Sie vergessen am besten alles, was Sie in New Orleans gesehen haben, okay?«
    »Schon passiert«, sagte ich. »Dann könnten wir ja jetzt …«
    »Ich meine, Sie müssen es wirklich vergessen, okay?«, sagte Andray.
    »Okay«, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie er das meinte. Vielleicht bezog er sich auf Vic oder auf die Schießerei vor dem Restaurant. Dann fiel mir ein, dass er sich vielleicht wünschte, ich würde alles vergessen – die Ruinen, die Verzweiflung, das Blutvergießen. Vielleicht gehörte er einem Komitee an, das daran arbeitete, die Erinnerung an das alte New Orleans zu bewahren und alle Eindrücke vom heutigen New Orleans zu löschen.
    »Diese Leute«, sagte Andray, »bestehen darauf, dass Sie das Vergessen nicht vergessen. Und um ganz sicherzugehen, wollen sie, dass Sie New Orleans sofort verlassen, verstanden?«
    »Ich habe alles vergessen«, sagte ich, »und nehme den nächsten Flieger.«
    »Sie müssen verschwinden«, sagte Andray ernst. »Sie müssen raus aus der Stadt, so wie im Kino. Haben Sie verstanden?«
    »Ich habe verstanden«, sagte ich. »Ich bin schon weg. Und ich werfe keinen Blick zurück.«
    »Es ist nur so«, sagte Andray, »ich muss dafür sorgen, dass Sie wirklich alles vergessen. Es tut mir leid. Sie sind eine nette Lady. Ich kann Sie ganz gut leiden. Aber es muss nun mal sein.«
    »Ist schon okay«, sagte ich, »aber wenn du …«
    Ich konnte den Satz nicht beenden, der so weitergegangen wäre: Aber wenn du mich erschießt, werde ich es dir nie verzeihen. Andray hob die Neunmillimeter über seinen Kopf, und mir blieb das Herz stehen.
    Dann ließ er die Pistole auf meine Stirn herunterkrachen.
    Ich sah tausend kleine Lichterkettenlichter am Himmel glühen. Ich kippte um und fühlte meine Knochen auf die kalte Erde schlagen.
    Während ich umkippte, entdeckte ich den Hummer auf der anderen Seite der Dryades. Wir wurden beobachtet.
    »Das wird schon wieder«, hörte ich Andray aus der Ferne sagen. »Diesmal kommen Sie mit einem blauen Auge davon. Sie sind nicht tot. Wenn Sie Ihren Arsch aus New Orleans schaffen, wird Ihnen nichts passieren, Miss Claire DeWitt.«

    Als ich zu mir kam, war es immer noch dunkel. Andray und ich saßen auf einem Deich und überblickten den Mississippi, der sich langsam vorbeischob wie klebriger Sirup.
    »Verdammt«, sagte Andray, »er hat von Ihnen erzählt, wissen Sie.«
    Er reichte mir einen dicken, bräunlichen Joint.
    Ich griff zu und nahm einen Monsterzug. Als ich ausatmete, legte

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