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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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sich die Qualmwolke über den Mississippi wie Nebel.
    »Ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen«, sagte er.
    »Das sagt er immer«, sagte ich.
    »Er weiß, wie schwierig das ist«, fuhr Andray fort und nickte. »Das weiß er auch. Aber Sie müssen geduldig sein, Miss Claire. Seine Uhren gehen anders. Das sollten Sie eigentlich wissen.«
    »Es ist ja nur so, dass …«, fing ich an. »Weißt du, er sagt mir das schon seit langer Zeit, und inzwischen …«
    »Er sagt, er hält Ihnen einen Platz frei«, sagte Andray, »den Platz direkt neben ihm. Er sagt, alle Detektive kommen nach Hause, wenn die Flut einsetzt. Die echte Flut. Und Sie werden für Ihre Mühen belohnt. Weil Sie seine Bürde getragen haben und so. Alle werden belohnt, aber Leute wie wir, die eine Bürde getragen haben, dürfen an seiner Seite sitzen. Das hat er mir versprochen.«
    Andray nahm den Joint, kniff die Augen zusammen und nahm einen tiefen Zug. Er atmete aus wie ein Drache, und die ganze Stadt füllte sich mit Rauch.
    »Die Heiligen erwarten uns«, sagte er lächelnd. »Und alle Vögel werden singen, wenn wir nach Hause kommen. Die Hunde werden heulen und die Katzen lachen. Sie alle erwarten uns oben im Schloss. Und alle werden sagen: Vielen Dank. Das wird schön. Vielen Dank. Wissen Sie, die erinnern sich an Leute wie Sie und mich, Miss Claire. Die haben uns nicht vergessen. Wir arbeiten hier unten für sie. Das wissen sie. Er hat uns gebeten, unseren Teil zu tun, und genauso haben wir es gemacht. Wir haben es vergessen, aber er nicht, er hat nichts vergessen. Er weiß, warum wir hier sind. Er erinnert sich für uns. Er hat uns gebeten, hier unten für ihn zu arbeiten, und wo wird das wohl am nötigsten sein? Verdammt, die glücklichen Menschen brauchen unsere Hilfe nicht! Sie haben, was sie brauchen. Das ist nicht unsere Klientel, Miss Claire. Leute wie Sie und ich kommen traurig auf die Welt. Daran erkennen wir einander.«
    Meine Lider wurden schwer. Ich döste ein.
    »Du bist meine Schwester«, sagte Andray lächelnd. »Wir sind im selben Team. Und wir werden uns wiedersehen.«
    Wir standen in einer Straße in Central City. Niemand war zu sehen, und ich konnte das Wasser durch die Straßen rauschen hören. Es stieg rings um uns an, hüllte uns ein, ohne uns zu benetzen. Über unseren Köpfen flogen Vögel: Papageien, graue und weiße Tauben, Stare und Blauhäher. Alle zwitscherten wild durcheinander, während der Sturm sie mitriss. Andray beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr. Ich fühlte seinen heißen Atem.
    »Deine Freundin wartet da oben auf dich. Das soll ich dir sagen. Sie hat dich nie vergessen. Sie weiß, dass du sie immer im Herzen trägst. Sie ist da drin und flattert herum wie ein kleiner Vogel. Sie wartet da oben auf dich. Sie hält dir einen Platz frei. Sie sagt, du kämst immer näher. Bald ist es so weit. Bald, Kleines, ganz bald. Und deine Freundin sagt, die Welt ist seltsamer, als du glaubst. Und sie sagt, manchmal, wenn sie dir so zuschaut, fällt sie vor Lachen fast von ihrem Thron runter, zurück auf die Erde.«

    Ich schnappte nach Luft und riss die Augen auf. Ich lag in einer dreckigen Baulücke in Central City. Über mir schwebte das Gesicht eines Mannes, dessen Alter und Aussehen unbestimmbar waren. Er stupste mich mit den Füßen an. Andray war weg. Wie lange schon, wusste ich nicht zu sagen.
    Ich setzte mich auf. Der alte Mann wich murmelnd zurück. Sein Atem stand als weiße Wolke vor seinem Mund.
    »Tja, Pech gehabt«, krächzte ich. Mein ausgetrockneter Hals schmerzte. »Ich bin noch nicht tot.«

    Der Mann verzog sich. Ich blieb ein paar Minuten lang still liegen, vielleicht schlief ich auch ein. Irgendwann stand ich auf und suchte mich nach Verletzungen ab. Wahrscheinlich hatte ich keine Gehirnerschütterung, aber selbst in dem Fall wollte ich nirgends weniger hin als in eine Notaufnahme in New Orleans. Ich überprüfte meine Handtasche und meine Manteltaschen. Allem Anschein nach waren sämtliche wichtigen – und tödlichen – Utensilien noch da. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Es war drei Uhr morgens. Ich war stundenlang bewusstlos gewesen.
    Ich holte einen Taschenspiegel heraus und begutachtete die Beule an meiner Stirn. Eine ordentliche Schwellung, aber die Haut war fast intakt. Ich wischte das wenige Blut ab, das ich sah, und stand auf.
    Wieder sah ich die Lichterkette funkeln. Ich setzte mich hin.
    Ich wiederholte den Versuch einige Male, bis ich irgendwann

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