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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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höhnischen Lächeln.
    »Warum sollten Sie uns sonst am Leben lassen?«, fragte sie zurück.
    Sie sah, wie Pauldron die Frage abwog. Sein Tonfall war viel lässiger als sonst. Würde er nicht gerade Benedikta mit seinem Messer bedrohen, hätte es fast eine gewöhnliche Unterhaltung sein können.
    »Zuerst war er für mich nicht mehr als der gute alte Sündenbock. Aber jetzt kenne ich sein Familiengeheimnis …« Sein Lächeln erreichte nicht seine Augen. »Ich denke, dass die Hinrichtung des Vaters, den er längst tot geglaubt hat, Mark lange genug ablenken dürfte, um ihn unvorbereitet zu erwischen. Und nachdem Peter hingerichtet ist, dürfte der Sohn schon bald wieder mit dem Vater vereint sein.«
    »Ich verstehe«, sagte Lily äußerlich völlig ruhig. Innerlich jedoch schrie ihr Verstand auf und versuchte verzweifelt, einen Ausweg zu finden. Sie hörte Laud sprechen.
    »Erst Gloria, dann Mark …«, sagte er erregt. »Aber … aus welchem Grund?«
    Pauldron schüttelte langsam und bedächtig den Kopf. »Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Mr Laudate, aber Miss Gloria hat dabei keine große Rolle gespielt. Was ihr jetzt auch egal sein kann, stimmt’s?«
    Er bewegte das Messer ein wenig auf Benediktas Kleid nach oben, wobei die Klinge ein winziges Stückchen Stoff zerschnitt. Benedikta wurde blasser, sagte jedoch nichts.
    »Wissen Sie«, fuhr Pauldron fort, »ich bezweifle sogar, dass sie überhaupt etwas gespürt hat. Sie war an diesem Abend so besonders gefühlvoll. « Er grinste kalt. »Andererseits sind diese Elendsviertelverkäufer sehr preisgünstig. Für eine Wochenration bekomme ich alles, was ich brauche. Obgleich es einige Überredung kostete, bis sie mir hierher folgte. Aber es musste hier sein, verstehen Sie, ich musste Sie hierherlocken. An den Ort meiner Offenbarung.«
    Lily Herz verkrampfte sich. Pauldron redete weiter.
    »Das Uhrwerkhaus ist ein ganz besonderes Gebäude. Der ursprüngliche Zweck der Maschine geriet in Vergessenheit, aber die Gesellschaft trifft sich trotzdem immer noch hier, weil es ein so wunderbares Symbol ist. Ein Symbol für Agora und für die Harmonie, die sie – die wir alle – zu erreichen wünschen. Jedes Rädchen greift ins andere, alle Teile arbeiten zusammen für den Ruhm des Ganzen, kein einziges Teilchen versucht, wichtiger oder wertvoller zu sein als die anderen.« Sein Blick fixierte Lily, während die Messerspitze jetzt Benediktas Kehle berührte. »Glauben Sie an Schicksal, Miss Lilith?«
    Lily sah ihn an und schalt sich selbst, weil sie nicht erkannt hatte, dass der Fund des Berichts viel zu gelegen gekommen war. Sie versuchte herauszufinden, welche Antwort er hören wollte, aber diese kalten, toten Augen waren unergründlich. Schließlich entschied sie sich für die Wahrheit.
    »Nein«, sagte sie.
    Pauldron nickte. »Ich ebenso wenig. Ich glaube, dass wir unsere Zukunft selbst wählen können. Und ich will nicht die Zukunft haben, die Sie uns bringen.« Sein Blick wechselte zu Laud, der versuchte, sich langsam seitlich an ihn heranzuschleichen. »Versuch das noch einmal, Junge, und du musst die volle Verantwortung für die Folgen auf dich nehmen.« Weder wurde seine Stimme dabei lauter, noch zeigte er einen Anflug von Zorn; dennoch trat plötzlich ein Tropfen Blut an der Messerspitze hervor. Laud wich zitternd zurück.
    Lilys Gedanken überschlugen sich, versuchten das, was er gesagt hatte, irgendwie zusammenzusetzen.
    »Meine Zukunft?«, fragte sie zaghaft. »Meinen Sie das Almosenhaus?«
    Pauldrons Oberlippe verzog sich verächtlich. »Eine schwärende Wunde im Herzen Agoras. Aber nein, nicht das Almosenhaus. Das ist nichts weiter als ein Symptom.« Seine Stimme wurde zu einem tödlichen Flüstern. »Das Almosenhaus ist nicht die Quelle des Gifts.«
    Er starrte sie unverwandt an und der kalte, teilnahmslose Blick machte einem Ausdruck unbändigen Hasses Platz.
    »Wenn wir in die Reihen der Eintreiber eintreten, leisten wir einen Eid, Miss Lilith. Agora und allen ihren Werten zu dienen. Mit unserem Leben. Wir schließen einen Vertrag mit der Stadt. Einen Vertrag, den ich meine Kollegen tagtäglich brechen sehe, wenn sie zur Seite schauen und das Gesetz missachten. Manche von ihnen behaupten, ich würde nicht in der richtigen Welt leben. Mein fester Glaube begann zu wanken, ich fing an, faule Kompromisse zu schließen.« Pauldron begann zu zittern. Benedikta zuckte zurück, aber er hielt sie unerbittlich fest. »Doch dann setzte sich eine größere

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