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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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ihn Prendergast gereizt, »ich denke, wir alle hier sind in der Lage, unsere Schlüsse zu ziehen. Nur schade, dass mein Diener Snutworth nicht hier ist, denn der hat eine besondere Vorliebe für Wortspielereien. Aber ich bezweifle, dass er sich uns in nächster Zeit anschließen wird. Das war allerdings ein schlechter Zug.«
    Mark brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Prendergast gesagt hatte. Aber dann verließ ihn alle Zurückhaltung.
    »Schlechter Zug?«, fragte Mark ein bisschen zu laut.
    Prendergast drehte sich zu ihm um. Diesmal war in seinen Augen keine Freundlichkeit zu erkennen, nicht einmal eine falsche. Nur sein Mund lächelte noch immer. »Wirklich sehr traurig. Allem Anschein nach hat sein Neid jetzt doch die Oberhand gewonnen. Heute Morgen habe ich festgestellt, dass mein unbezahlbarer Spazierstock mit dem Silberknauf verschwunden ist. Da ich allein lebe und nur wenige Diener habe, kommt nur einer in Frage, der die Gelegenheit ausgenutzt hat.«
    Kaum hatten die giftigen Worte Prendergasts Mund verlassen, fiel Mark ein, dass am Morgen, inmitten der betriebsamen Vorbereitungen, der Anwalt seinen Stock vergessen und Snutworth ausgesandt hatte, um ihn zu holen. Einen kurzen Augenblick wollte er es ausplaudern, um zu zeigen, wie sehr Prendergast die Wahrheit verdrehte, in der Hoffnung, dass jemand ihm Glauben schenkte und nicht dem alten Schwindler. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er musste zuerst etwas weitaus Wichtigeres in Erfahrung bringen. Schon hörte er den Grafen die Frage stellen.
    »Haben ihn die Eintreiber geschnappt?«
    »Glücklicherweise ja«, antwortete Prendergast, sah aber weiterhin Mark an. »Und natürlich haben sie den Stock bei ihm gefunden. Eigenartigerweise haben sie ihn drüben bei der Tierpagode entdeckt. Er schien gerade das Schloss von einem Käfig mit seltenen Solitärtauben aufbrechen zu wollen.« Prendergast schüttelte den Kopf. »Vermutlich sollte das ein Ablenkungsmanöver sein.« Wieder an Mark gewandt, sagte er langsam und bedeutsam: »Es ist beachtlich, was ein Verbrecher alles tut, um seine Spuren zu verwischen.«
    Mark spürte, wie seine Hände zitterten. Solitärtauben. Er wusste nicht viel von anderen Sprachen, aber erst am Tag zuvor hatte Snutworth ihm erklärt, was das Wort solitär bedeutete: einsam oder allein.
     
    Zuletzt werden die Einsamen sich verwundert ergeben,
    Und das Glück besingend sich preisend erheben.
     
    Es würde nicht passieren. Zwei von dreien reichten nicht.
    »Weiter jetzt, Mark«, sagte Prendergast leise. »Du musst deine Voraussagen zu Ende bringen. Ich bin sicher, dass wir alle es kaum erwarten können, deinen Triumph mitzuerleben.«
    Mark sah sich um. Prendergast schien sich an seinen eigenen Worten zu erfreuen. Der Graf wirkte wieder teilnahmslos, doch etwas in seinen Augen verriet Mark einen düsteren Hass. Lord Ruthven trug einen neugierigen Ausdruck zur Schau, aber auch er würde wohl kaum vortreten, um ihm zu helfen. Und die Sterndeuter ringsum flüsterten einander zu, reichten Zettel hin und her und warfen Blicke in seine Richtung. Während sie um den Grafen herumscharwenzelten und ängstlich um seine Anerkennung buhlten, spürte Mark, dass sich noch etwas anderes in ihm regte. Er hörte noch einmal ihre »Prophezeiungen«, jede ein unbestimmtes Versprechen aufsteigenden Wohlstand oder günstige Zeichen, so hohl, dass sie alles und nichts bedeuten konnten. Warum sollten sie Erfolg haben, wenn sie nichts anderes taten, als sich hinter den Grafen zu stellen und sich in der Ehrerbietung zu sonnen, die ihm entgegengebracht wurde? Der Ehrerbietung gegenüber einem Mann, der seinen Gehilfen in seinen politischen Machtspielen als Köder missbrauchte.
    Fest entschlossen wandte Mark sich wieder der wartenden Menge zu. Er würde vielleicht an diesem Tag stürzen, aber zumindest sprach er mit seiner eigenen Stimme. Er wollte nie mehr die Marionette eines anderen sein.
     
    »Zuletzt werden die Einsamen sich verwundert ergeben,
    Und das Glück besingend sich preisend erheben.
    Und mit diesen drei Zeichen von allen geseh’n,
    Wird Agoras Ruhm auf ewig besteh’n.«
     
    Mark hielt den Atem an. Die Menge ebenso.
    Nichts. Kein Chor gurrender Tauben, die trotz Snutworths Festnahme auf wundersame Weise freigelassen worden waren. Kein Geräusch unterbrach die Stille. Mark sah die endlos wogenden Menschenmassen unter sich, die vielen Leute, die auf etwas warteten, woran sie glauben konnten. Er spürte, wie sich seine Beinmuskeln

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