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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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irgendetwas mit diesem …«
    »Sie sind Politiker, Mylord«, fiel ihm der Graf ins Wort und fixierte Ruthven mit stählernem Blick. »Wollen Sie wirklich behaupten, Gerüchte besäßen keine Macht?«
    Lord Ruthven erwiderte nichts darauf, doch wenn es an diesem warmen Herbsttag möglich gewesen wäre, hätte sich Frost um ihn herum in der Luft gebildet, dessen war Mark sich sicher.
    »Nun, Ihre Anwesenheit ist bestimmt woanders dringlicher erforderlich, Ruthven«, fuhr der Graf fort und legte die Hand in einer Nachahmung väterlichen Wohlwollens auf Marks Schulter. Mark spürte die Finger des alten Mannes, die sich wie Krallen in seine Haut bohrten. »Mark muss sich auf seinen Vortrag vorbereiten.«
    »Ganz im Gegenteil, Stelli, ich erachte es als meine Pflicht, hier bei Ihnen zu bleiben und alles genau zu beobachten.« Ruthven vollführte eine ausladende Geste, und die Spuren von Kälte verschwanden zu rasch, um ehrlich gemeint zu sein. »Heute ist der Tag, an dem angesichts dieser wunderbaren Gelegenheit sämtliche Meinungsverschiedenheiten beiseitegelegt werden sollten. Heute feiern wir beinahe zwölf große Zyklen, seitdem unsere Stadt ins Goldene Zeitalter getreten ist. Einhunderteinundvierzig Jahre des Reichtums und des Wohlstands. Das verdient doch sicher weitaus mehr als kleinliche Streitereien, oder nicht?« Lord Ruthven strahlte und legte Mark eine Hand auf die andere Schulter.
    Mark ächzte und wünschte sich mehr als alles andere, dass er in den vergangenen Monaten ein bisschen größer geworden wäre, denn die beiden Männer schienen fest entschlossen, ihn hier und jetzt in den Boden zu rammen.
    »Wie auch immer«, fuhr Lord Ruthven unbekümmert fort. »Wie Sie bereits sagten, habe ich ein gewisses persönliches Interesse an dem Jungen entwickelt, deshalb halte ich es für mehr als gerecht, Zeuge seiner ersten Prophezeiungen zu sein.«
    Mark spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er wollte so sehr daran glauben, dass Lord Ruthven ihn beschützen würde, wenn er versagte, doch es ging nicht. Er wusste, dass, sollte er heute in Ungnade fallen, der Lordoberrichter der Erste sein würde, der ihn verstieße. Der Lord konnte es sich nicht leisten, seinen Namen mit dem eines Versagers in Verbindung zu bringen, denn selbst Ruthven konnte stürzen, konnte zu Ausschuss werden, wenn ihn die ganze Stadt für einen Narren hielt.
    Mark blickte über das Meer der Buden und Menschen hinweg, das vor ihm wogte, er sah die schreienden Verkäufer und die Girlanden und Fahnen, die von allen Vordächern herabhingen. Ringsum schimmerten die zwölf frisch geputzten Brücken und Torbogen. Die Sonne brannte unerbittlich, als hätte sie sich vorgenommen, seinem Schicksal gegenüber besonders gleichgültig zu sein. Eigentlich hätte mindestens ein dunkler Schatten über dem Platz liegen müssen, eine Andeutung dessen, dass etwas ganz grauenhaft schiefgehen würde. Doch das Wetter kümmerte sich nicht um Marks innere Stürme, als er zum Glockenturm in der Mitte des Platzes hinaufschaute. Er sollte seine Prophezeiung genau zu Mittag verkünden, und jetzt war es schon fast …
    Der erste Glockenschlag ertönte.
    Mark spürte, wie sich seine Welt zusammenzog. Er nahm kaum wahr, dass die beiden Männer seine Schultern losließen und ihn nach vorn schoben, auf den verzierten Balkon, von dem aus gemeinhin die Sterndeuter ihre Ansprachen vor der versammelten Menge hielten.
    Der zweite Glockenschlag ertönte, und Mark sah, dass die Menge langsam zur Ruhe kam.
    Der dritte Glockenschlag. Er trat an das Geländer und hob die Schriftrolle.
    Der vierte. Aus den Augenwinkeln sah Mark, wie Graf Stelli und Lord Ruthven sich hinter ihn setzten und ihn dabei nicht aus den Augen ließen.
    Fünf … sechs … Nun schien die gesamte Menge zum Sterndeuterpodium aufzublicken.
    Sieben … acht … Mark spürte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinablief. Er rollte das Papier auf.
    Neun … Mark suchte in der Menge, versuchte die winzige, schwarz gekleidete Gestalt von Snutworth zu entdecken, die irgendwo dort sein musste. Er durfte ihn jetzt nicht im Stich lassen.
    Zehn … elf … Mark räusperte sich.
    Zwölf … Jetzt war der Augenblick gekommen.
    Die Menge hielt den Atem an.
    Dreizehn … vierzehn … fünfzehn …
    Raunen erhob sich aus den Reihen dort unten. Niemand sah, wie sich Marks Gesicht, hinter der Schriftrolle verborgen, zu einem erleichterten Grinsen verzog. Er hatte es tatsächlich getan!
    Noch als er den Blick auf die Worte seiner

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