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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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sich die Menge rings um den Grafen teilte. Der Graf hatte sich ganz langsam erhoben und sich vor einer weiteren Gestalt verneigt. Dieser Mann, der eine gepuderte Perücke und einen vornehmen Umhang trug, dazu eine goldene amtliche Kette, schien ebenso viel Respekt zu genießen wie der Graf. Weniger bedeutende Sterndeuter machten ihm hastig Platz. Die beiden mächtigen Männer standen einander gegenüber und unterhielten sich höflich, doch sogar Mark spürte die knisternde Spannung zwischen ihnen. Dann hob der Graf zu seiner großen Beunruhigung einen runzligen Finger und winkte Mark damit zu sich. Mit gesenktem Blick und schwerem Schritt ging Mark zu den beiden Männern hinüber.
    »Wo bleiben deine Manieren, Junge?«, fuhr der Graf ihn an.
    »Willst du den Lordoberrichter nicht begrüßen, wie es ihm gebührt?«
    Mark verneigte sich hastig. Er spürte eine behandschuhte Hand an seinem Kinn, die sein Gesicht zur besseren Betrachtung nach oben zog.
    Der Lordoberrichter war in Marks Augen alt, gehörte aber einer jüngeren Generation an als der Graf. Sein Griff war fest und kräftig, und sein Blick taxierte Mark rasch.
    »Das ist also der Junge, der über unsere kleine Meinungsverschiedenheit richten soll, Stelli.« Die Stimme des Lordoberrichters war tief und beherrscht, als dürfe er sagen, was er wolle, habe sich aber dagegen entschieden. »Er ist gewiss sehr jung für seine erste Prophezeiung, selbst für einen Gehilfen. Ich vertraue darauf, dass Sie ihn gut ausgebildet haben.«
    »Er hat die allerbeste Ausbildung genossen, Ruthven«, erwiderte der Graf, und Mark spürte, wie seine Kehle trocken wurde. Das also war Lord Ruthven, der »Rivale«, von dem der Graf und Prendergast gesprochen hatten. Der Lordoberrichter persönlich! Es hieß, er stünde nur eine Stufe unter dem Direktor und sei dessen Gesicht in der Öffentlichkeit, denn der Direktor verließ niemals sein Büro.
    »Daran zweifle ich nicht, Stelli«, sagte Lord Ruthven in einem Ton, der das Gegenteil nahelegte. »Wie auch immer, da nun einmal die ganze Stadt über unsere Wette und meine Unterstützung für den Jungen spricht, wäre nun wohl eine Kostprobe seines Könnens angebracht.«
    »Selbstverständlich, Mylord«, erwiderte der Graf mit spürbarer Abneigung. »Mark! Was ist die Bedeutung des Hauses der Jungfrau?«
    »Arbeit, Sir«, plapperte Mark, der sich an die Lektionen erinnerte, in denen ihm all das eingebläut worden war. »Zur jetzigen Zeit, da die Sonne aus dem Haus tritt, bedeutet das für einige fallenden Profit – jedoch abgemildert durch eine größere Festlichkeit, da Mars zurückgeht und Jupiter in Konjunktion mit …«
    »Genug, das reicht!« Lord Ruthven lächelte und zog seine Hand zurück. »Der Junge hat zweifellos den Kopf mit Ihrer kostbaren Wissenschaft vollgestopft bekommen. Bitte vergeben Sie mir meine Besorgnis in einer derart belanglosen Angelegenheit, Stelli.«
    »Ich bitte Sie, Ruthven«, grollte der Graf mit höflicher Boshaftigkeit. »Das ist doch völlig verständlich, besonders, da ein Großteil der Stadt unsere Wette für alles andere als belanglos hält. Manch einer könnte sogar behaupten, dass unser beider Ruf von den Voraussagen des Jungen abhängt.« Der Graf machte eine kurze Pause und fügte dann spitz hinzu: »Ich freue mich, dass er sich Ihren Erwartungen hinsichtlich meiner edlen Kunst als würdig erweist.«
    »Ich glaube, dass Sie die Wichtigkeit des Jungen überschätzen.« Ruthvens Stimme wurde kälter und so leise, dass nur noch der Graf und Mark sie verstehen konnten. »Sehen Sie sich die Menge dort unten an, Stelli. Der Pöbel weiß nichts von einer Wette. Er sieht nicht mehr und nicht weniger als das Wunderkind des Grafen. Ich frage mich ernsthaft, wessen Ruf die Leute mit seinem Erfolg oder seinem Versagen in Verbindung bringen werden.«
    Der Graf lächelte eisig. Mark hatte den Eindruck, als hätten die beiden alten Widersacher völlig vergessen, dass er da war; vielleicht hielten sie ihn auch für so beschränkt, dass er ohnehin nicht begriff, wovon sie redeten.
    »Ich bitte Sie, Ruthven«, sagte der Graf. »Wir sind beide nicht die Männer, die sich um die Ansichten des gemeinen Volkes scheren. Alle, auf die es ankommt, alle, die in der Stadt etwas zu sagen haben, wissen genau, dass unsere Fronten abgesteckt sind.«
    »Alles nur Gerüchte«, erwiderte Lord Ruthven, der allmählich seine zur Schau getragene Gelassenheit zu verlieren schien. »Niemand wird jemals daran glauben, dass ich

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