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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Prophezeiung richtete, musste er daran denken, wie er Snutworth bei ihrem letzten Treffen eine Abschrift davon zugespielt hatte, und erinnerte sich, wie der Diener alles überflogen und ihm zugezwinkert hatte.
    »Nicht gerade die einfachste aller Aufgaben, Mark«, hatte er gemurmelt. »Trotzdem … sieh nur zu, dass du deinen Vortrag so gut wie möglich in die Länge ziehst. Um den Rest kümmere ich mich.«
    Und genau das hatte er getan. Als Mark in der Feme eine dunkle Gestalt aus dem Sockel des Glockenturms schlüpfen sah, fielen ihm die Worte seiner ersten Prophezeiung ein:
     
    Die Stunde wird schlagen mit zwiefacher Freud’,
    Ihre Süße getragen von ew’gem Geläut.
     
    Jeder einzelne Ton dieser zweiten zwölf Schläge gehörte zu den schönsten Geräuschen, die Mark je vernommen hatte. Schließlich hörte das Läuten nach dem vierundzwanzigsten Schlag auf.
    Mark zwang sich dazu, sich nicht umzudrehen, obwohl er nur zu gern den Gesichtsausdruck des Grafen gesehen hätte, wenn dieser erkannte, dass die erste Prophezeiung des »untalentierten« Schülers sich als richtig erwiesen hatte. Wen kümmerte es, dass Snutworth am Uhrwerk herumgefummelt hatte? Selbst der Graf musste zugeben, dass es einfach ausgezeichnet passte. Mark straffte sich, denn das Schwierigste stand ihm noch bevor.
    Er hob die Schriftrolle und fing mit nur leicht zitternder Stimme laut an zu lesen:
     
    »Der Ruhm Agoras wird an diesem Tage glänzen,
    Und der Prophezeiungen drei sollen das Zeichen kränzen.«
     
    Mark verzog das Gesicht. Mittendrin wünschte er, er hätte das Wort kränzen nicht benutzt. Er war sich nicht ganz sicher, was es bedeutete, und wenn nur ein kleiner Teil seiner Prophezeiung falsch war, brach der ganze Plan zusammen.
     
    »Die Stunde wird schlagen mit zwiefacher Freud’,
    Ihre Süße getragen von ew’gem Geläut.«
     
    Ein zustimmendes Gemurmel begrüßte diese Zeilen. Mark ließ den Blick über die Menge schweifen. War Snutworth bereits an seinem Platz? Hatte er die richtige Stelle gefunden? Mark machte eine lange Pause und versuchte, dabei möglichst geheimnisvoll auszusehen.
     
    »Die Sterne fallen für jenen, der steigt …«
     
    hob er an, und das Gemurmel wurde lauter. »Mach schon … mach schon …«, murmelte er leise. Nichts. Die Menge fing bereits an, das Interesse zu verlieren.
     
    »Das Ganze wird bröckeln, wenn das Kleinste sich zeigt.«
     
    Ein lautes Kreischen ertönte.
    Mark reckte den Hals, so wie alle anderen. In einer der Verkaufsbuden, ziemlich genau in der Mitte, hielt ein Mann etwas in die Höhe. Mark konnte es nicht genau sehen. War das die Bude des Bäckers? Sie musste es sein, wenn die nächste Prophezeiung funktionieren sollte. Minutenlang waren die Voraussagen in der neuerlichen Aufregung vergessen.
    »Schreckliche Sache … schrecklich …«
    Mark wirbelte herum. Schnaufend und keuchend stieg die rundliche Gestalt von Mr Prendergast die Stufen zum Podium empor, wobei sie sich mit einer Hand am Geländer festhielt.
    »Schwierigkeiten, Prendergast?«, erkundigte sich Lord Ruthven und erhob sich absichtlich nicht, um dem Anwalt behilflich zu sein.
    »Allerdings, Mylord, und zwar höchst erschreckende«, keuchte der. »Nach allem, was ich durch meine Verbindungen zu den Eintreibern erfahren habe, ist der Backwettbewerb -eine kleine, harmlose Vergnügung der niederen Bevölkerungsschichten – sabotiert worden. Man hat mitten im Glücksbrot eine Ratte gefunden. Damit könnte die Karriere des unglückseligen Bäckers beendet sein. Was für eine öffentliche Erniedrigung! Und wenn man bedenkt, was er noch alles vorgehabt hat …«
    »Ein Bäcker, soso«, sinnierte Lord Ruthven. »Sagt man bei Brot nicht, wenn es gebacken wird, dass es ›steigt‹?«
    »Ich wusste nicht, dass Euer Lordschaft sich fürs Backen interessieren«, knurrte Graf Stelli und warf Mark dabei einen boshaften Blick zu.
    Mark sah, wie die Adern auf seinen Handrücken hervortraten, als er die Lehnen seines Stuhls ergriff, und wie seine Augen von einem der Sterndeuter, die ihn umschwärmten, zum nächsten zuckten, als fordere er sie geradezu zu einer Bemerkung heraus. Lord Ruthven hingegen wirkte ungerührt.
    »Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie erstaunlich passend die Worte des Jungen sind. ›Die Sterne werden fallen für jenen, der steigt …‹ Und natürlich könnte man sagen, dass es die Ratte war, die sich da gezeigt hat, denn die ist ja wohl die kleinste Kreatur.«
    »Vielen Dank, Mylord«, unterbrach

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