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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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aus zu sehen.« Er lächelte gönnerhaft in Lilys Richtung. »Dank ihres Almosenhauses war ihre Freundin, Miss Gloria, in ständiger Berührung mit den Niedersten der Niederen, auf ewig in Sichtweite der Verstörten und Verzweifelten …« Snutworth ließ den Gedanken in der Luft hängen, bevor er den Kopf neigte. »Nicht-wahrhaben-Wollen ist ein Teil der Trauer.«
    »Ich kann nicht glauben, was ich da höre!«, rief Lily. »Um Himmels willen, Mark, siehst du nicht, was vor sich geht? Sie wollen alles einfach unter den Teppich kehren, so wie wir es immer tun, wenn wir über etwas nicht nachdenken wollen. Aber du hast die Möglichkeit, das zu ändern. Du kannst einen unschuldigen Mann retten und sie dazu bringen, nach dem wahren Mörder zu suchen! Warum siehst du das nicht ein? Du musst es einfach tun, das schuldest du ihr …«
    Mark funkelte Lily an. Snutworths Worte dröhnten noch in seinen Ohren. »Snutworth hat recht. Es ist genauso deine Schuld wie meine. Es ist mir egal, wie du es verpackst, Lily, es ist deine Schuld, dass sie den alten Mörder kennen gelernt hat. Ich werde meinen Ruf nicht ruinieren, nur damit es dir besser dabei geht.«
    Stille. Die letzen Strahlen des Sonnenuntergangs verfingen sich im Turm, beleuchteten die beiden Gesichter. Mark sah sein eigenes – trotzig, entschlossen – als Spiegelbild in Lilys dunklen Augen. Dann fuhr sie mit einer plötzlichen Handbewegung über seinen Schreibtisch. Das Holzkästchen krachte auf den Boden, die kleinen Fläschchen voller Obsession wurden herausgeschleudert und zersplitterten am Boden.
    Keiner rührte sich. Diese Genugtuung wollte ihr Mark nicht gönnen.
    »Mr Mark erwartet selbstverständlich binnen einer Woche einen Vertrag, in dem ihm andere Ware zum Tausch für das beschädigte Gut angeboten wird«, verkündete Snutworth.
    Lilys Blick löste sich die ganze Zeit über nicht von Marks Gesicht. Der Wutausbruch hatte etwas in ihren Augen verändert, hatte sie hart und kalt gemacht.
    »Gratuliere, Mark«, sagte sie schließlich mit tonloser Stimme. »Du bist ein wahrer Sohn Agoras.« Sie verneigte sich steif und förmlich, wie ein Händler bei einem Geschäftsbesuch. Dann ging sie ohne ein weiteres Wort davon. Ihre Schritte hallten durch den Turm, bis weit unten die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
     
    Eine Zeitlang standen er und Snutworth schweigend da. Dann blickte der Assistent auf das kaputte Kästchen hinab und stieß es mit dem Ende seines Stockes an.
    »Das wird nicht das Ende sein, Sir«, sagte er leise. »Sie ist eine Kämpferin. Sie wird einen Weg finden, ihre Geschichte bekanntzumachen.«
    Mark beugte sich über seinen Schreibtisch und sah ausdruckslos auf die Sternkarten, die dort ausgebreitet lagen. Sie enthielten nichts, was ihm einen Anhaltspunkt geben könnte. Sie kamen ihm alle wie bedeutungslose Muster aus bedeutungslosen Punkten vor.
    »Was schlagen Sie vor?«, fragte er schließlich.
    »Eine Wahrheit wird herauskommen, das ist unvermeidlich.« Snutworth dachte laut nach. »Aber es darf keine sein, die Ihnen schadet, Sir. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. In einigen Jahren könnten Sie der mächtigste Mann der Stadt sein. Und sie ist lediglich der Vormund der Schuldner, und die wird es immer geben. Die Eintreiber müssen begreifen, dass ihr Almosenhaus nur Unruhe stiftet, und zwar immer wieder. Ich würde ein Gespräch mit dem Lordoberrichter vorschlagen. Oder einen Brief, der den Bedenken eines wichtigen Geschäftsmannes Ausdruck verleiht. Das sollte genügen, damit endlich etwas in dieser Hinsicht unternommen wird – eine Antwort auf die Proteste ihrer Förderer, um sicherzustellen, dass die Eintreiber nicht voreingenommen wirken. Es dürfte nicht schwer sein. Ich gehe davon aus, dass das Almosenhaus von den Eintreibern bereits mit höchstem Argwohn betrachtet wird, und da Lord Ruthven ihr oberster Befehlshaber ist …«
    »Wenn ich das tue«, überlegte Mark, »werden sie ihr Haus schließen …«
    »Das ist durchaus möglich, Sir.«
    Mark strich sich durch die Haare, hob den Kopf und schaute zu den Fenstern des Observatoriums hinaus. Ein paar Sterne kamen zum Vorschein, während die Sonne noch hinter den Türmen der Stadt versank.
    »Es muss einen anderen Weg geben.«
    »Sie müssen sich entscheiden, Sir. Miss Liliths Ruf steht gegen den Ihren. Einem wird die Schuld zugeschoben werden. Und wer von Ihnen will sich gegen alles stellen, was unserer großen Stadt lieb und teuer ist?«
    Weitere Sterne wurden sichtbar, lösten

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