Die Stadt der verkauften Traeume
Elendsvierteln gegangen ist, und du kannst helfen, die Dinge in Ordnung zu bringen. Die Eintreiber haben einen alten Mann festgenommen, einen Schuldner. Sie glauben, dass er sie umgebracht hat, aber du kannst das widerlegen. Er hat ein Alibi für eine Stunde vor Sonnenuntergang – da war er bei uns im Almosenhaus. Wenn du ihnen sagst, was du weißt, nämlich dass sie bei Sonnenuntergang noch hier war, müssen sie das berücksichtigen …«
»Das würde ich Ihnen nicht empfehlen, Sir.«
Beide fuhren erschrocken zusammen. Snutworth kam mit fast unhörbaren Schritten aus dem dunklen Treppenaufgang herauf. Mark fragte sich, ob er gelauscht hatte, so wie sie beide es damals monatelang getan hatten …
»Was geht Sie das an?«, wandte sich Lily aufgebracht an ihn.
»Genau genommen geht mich das sehr viel an, Miss Lilith. Als persönlicher Assistent und Berater von Mr Mark ist es meine Aufgabe, die Interessen meines Herrn so gut es geht zu wahren.« Er beugte sich vor, und die Spitze seines Spazierstocks mit dem Silbergriff schlug ein paarmal auf den Boden. »Es gibt keinen wirklichen Beweis, der Mr Mark damit in Verbindung bringt, dass Miss Glorias Leben in Gefahr gebracht wurde, genauso wenig wie mit dem Verwehren des Zugangs zu ihrer Obsession. Begibt man sich damit ins Licht der Öffentlichkeit, würde das eine höchst unerwünschte Aufmerksamkeit hervorrufen, was im Augenblick … weniger als ideal wäre.«
Mark war mittlerweile an Snutworths Art zu sprechen gewöhnt, besonders an seine Untertreibungen. »Weniger als ideal« drückte noch nicht einmal ansatzweise das aus, was er eigentlich damit meinte. Trotz seiner anderen Geschäfte ruhte Marks Ruf immer noch auf seinen Vorhersagen; sein ganzes Leben stützte sich darauf, dass andere Leute ihm vertrauten. Ein Skandal wie dieser würde ausreichen, um ihn für immer als Ausschuss abzustempeln.
»Glaubst du wirklich, dass es momentan für dich nicht so gut steht?«, sagte Lily und sah Mark dabei spöttisch an. »Was meinst du denn, wie es für P …« Lily unterbrach sich abrupt. Ein besorgter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »… wie es für den alten Mann steht?«
»Nichts für ungut, aber es hat doch ganz den Anschein, als sei dieser alte Mann schuldig«, sagte Snutworth in aller Seelenruhe und zog eine Pergamentrolle aus der Manteltasche. »Vor einigen Stunden habe ich über meine Kollegen bei den Eintreibern von dieser tragischen Angelegenheit erfahren. Ich hatte vor, Sie zu informieren, sobald ich das volle Ausmaß der Tatsachen kannte, Sir.« Snutworth entrollte das Pergament und legte es mit eleganter Geste vor Mark auf den Schreibtisch. »Wie Sie hier sehen können, Sir, haben die Eintreiber den Unterschlupf des alten Schuldners durchsucht und dort ein äußerst verdächtiges Messer gefunden. Weitere Nachforschungen haben sich als schlüssig erwiesen – die Eintreiber haben ihren Mann. Deshalb ist diese kleine Aufregung hier auch völlig unnötig.«
Mark warf einen Blick auf die Pergamentrolle. Es handelte sich um einen Bericht, der sich in grässlichen Einzelheiten erging. Mark schob ihn zur Seite. Ihm war speiübel. Er warf nicht einmal einen Blick auf den Namen des Verdächtigen.
»Schon gut, Snutworth«, sagte er und wandte sich wieder Lily zu, die noch immer wütend vor ihm stand. »Lily … Ich wollte nicht, dass es so kommt, aber es ist einfach ein dummer Zufall, dass ich mich gestern mit ihr gestritten habe. Die Eintreiber haben den Mörder. Er muss sich später noch einmal aus eurem Haus hinausgeschlichen haben.«
Lily starrte ihn wortlos an. Ihre Brauen waren eng zusammengezogen, als stünde sie kurz vor einer Entscheidung.
»Mark …«, sagte sie schließlich, »du würdest zulassen, dass die Eintreiber einen Mann hinrichten, ohne sämtliche Tatsachen zu kennen? Verspürst du denn keinerlei Mitgefühl ihm gegenüber? Er ist alt genug, um dein Vater zu sein …«
»Mein Vater hat nichts damit zu tun! Versuch nicht, mich auf diese Art zu erpressen«, rief Mark zornig.
»Aber vielleicht hat er Kinder in deinem Alter. Kannst du nicht an die denken?«
»Warum sollte ich? Er hat sie wahrscheinlich schon längst verkauft, aber selbst das hat ihn nicht daran gehindert, zum Schuldner zu werden«, fauchte Mark. »Alle Kinder in dieser Stadt sind Waisen, Lily, das solltest du doch am besten wissen.«
»Sie müssen ihr verzeihen, Sir«, fügte Snutworth mit einem traurigen Kopfschütteln hinzu. »Versuchen Sie doch mal, es von ihrer Warte
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