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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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war.
    »Wenn ich herausfinde, dass Sie lügen …«, zischte Lily, aber Miss Devine straffte die Schultern. Jetzt war sie wieder so von sich eingenommen wie eh und je.
    »Ich lüge nie, meine Liebe. Lügen besitzen keine Macht.«
    Lily wusste es. Sie wusste, was passiert sein musste. Sie wusste, dass Miss Devine die Wahrheit sagte.
    Und sie wusste, wohin sie zu gehen hatte.

 
KAPITEL 17
     
Das Kästchen
     
    Mark hörte das Klopfen bis hinauf ins Observatorium, aber es beunruhigte ihn nicht. Immer noch kamen Tag für Tag Leute zu ihm, die sich von dem großen Sterndeuter die Zukunft vorhersagen lassen wollten.
    Er sah kaum von seiner Sternkarte auf, als er hörte, dass der Portier jemanden hereinführte. Vielleicht war es ein Bote von einem der Konsortien, denen er sich angeschlossen hatte.
    Erst als er jemanden auf der Eisentreppe zum Observatorium hörte, hob er den Kopf- und sah Lily geradewegs in die Augen.
    Sie stand am oberen Ende der Treppe, die Schürze schief, das Haar durcheinander, und sie atmete so schwer, als wäre sie den ganzen Weg bis zum Turm gerannt. Aber er konnte den Blick nicht von ihren Augen lösen, die ihn kalt, stechend und anklagend musterten.
    »Lily?« Mark stand auf. »Das ist ja eine Überraschung.«
    Lily erwiderte nichts, sondern starrte ihn weiter an. Mark trat von einem Fuß auf den anderen. Obwohl sie der unerwartete Gast war und er sich in seinem eigenen Haus befand, kam er sich plötzlich wie ein Dieb vor, der im Licht der Laterne ertappt wird.
    »Darf ich dir einen Tee anbieten? Ich könnte Snutworth beauftragen, welchen hochzubringen …«
    Noch immer nichts. Marks Stimme erstarb. Das Abendlicht strömte durch die Fenster des Observatoriums und spiegelte sich in Lilys Augen, die aussahen, als würden sie von innen glühen. Jetzt ging sie mit langsamen, bedächtigen Schritten auf ihn zu. Mark wich unwillkürlich ein Stück zurück.
    »Lily … bei allen Sternen, jetzt sag schon, was mit dir los ist!« Mark kam hinter seinem Schreibtisch hervor.
    Einen Moment lang standen sich die beiden Auge in Auge gegenüber. Lily musterte ihn von oben bis unten, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Dann endlich sprach sie.
    »Gloria«, sagte sie.
    Mark runzelte verdutzt die Stirn. »Ich habe sie seit gestern Abend nicht mehr gesehen«, erwiderte er. »Wenn du willst, lasse ich jemanden nach ihr suchen.«
    »Sie ist bereits gefunden worden«, erklärte Lily. Jedes ihrer Worte hing schwer in der Luft.
    Mark wurde allmählich unheimlich. Er spürte, dass es hier irgendwo eine Falle gab. »Dann sag ihr, dass ich sie heute Morgen hier erwartet habe. Snutworth musste an ihrer Stelle mit mir meine nächsten Auftritte durchgehen …«
    »Wann hast du sie gestern Abend gesehen?«, fragte Lily mit plötzlicher Dringlichkeit.
    »Gegen Sonnenuntergang, glaube ich.«
    Einen Moment lang sah Lily erleichtert aus, dann wurde ihr Blick wieder hart, als hätte sie sich gerade an etwas erinnert.
    »Wie ging es ihr gestern Abend?«, fragte Lily. Ihre Stimme war etwas ruhiger, aber in ihrem Gesicht war von Gelassenheit nichts zu sehen. Es wirkte wie versteinert und zeigte einen Ausdruck, der Ekel nicht unähnlich war.
    Mark runzelte die Stirn. »Du kennst doch Gloria, Lily. Sie war … nervös, wie immer.«
    »Nicht so entgegenkommend wie sonst?«
    »Hör mir zu«, sagte Mark und drehte sich weg. »Wenn sie schlecht über mich geredet hat, tut es mir leid. Ich hatte einen schlechten Tag, aber es war ihre eigene Schuld, dass sie mir so auf die Nerven gegangen ist. Trotzdem werde ich mich bei ihr entschuldigen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Sie leistet wirklich gute Arbeit.«
    »Ist sie dir so sehr auf die Nerven gegangen, dass du ihr die übliche Gehaltszulage nicht gegeben hast?«
    Mark erstarrte. Seine Augen schössen zu dem Holzkästchen auf seinem Schreibtisch. Noch am Morgen hatte er nachgesehen: Es war immer noch halbvoll mit kleinen Fläschchen Obsession, die schwach in ihren schmalen hölzernen Spalten schimmerten. Niemand wusste davon. Niemand außer ihm, Gloria und Snutworth. Und Miss Devine natürlich.
    Er bemerkte, dass Lilys Blick, dem seinen folgend, ebenfalls zu dem Kästchen wanderte. Er seufzte tief, drehte sich um und verschränkte die Arme.
    »Miss Devine hat es dir also erzählt. Hör mal, ich weiß, dass du etwas gegen abgefüllte Gefühle hast, aber sie sind schließlich nicht verboten.« Mark zuckte die Achseln. »Ich möchte nicht, dass sie ihre Zeit darauf verschwendet, sich

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