Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
dich besuchen komme.«
»Um mir einen Strauß Blumen zu schenken?«
»Weil ich rettungslos in dich verliebt bin«, sagt er.
Ich schnaube abfällig.
Er lacht.
»Je häufiger ich dich besuche, umso normaler ist es für deine Eltern.«
»Verstehe.« Ich bin froh, dass ich mir die Frage nach den anderen Mädchen verkniffen habe.
Am Ende der Treppe befindet sich eine zweite Tür.
Eine Hand auf dem Türknauf, zögere ich. Das Dach ist mit vielen Erinnerungen verbunden. Erinnerungen an einsame Stunden, als wir frisch hergezogen waren. Ich hatte mich noch nie so allein gefühlt. Als Kind habe ich mir manchmal einen Moment für mich allein gewünscht, aber niemals so. Nicht für immer.
Und dann kehrte April aus dem Prinzenpalast in die Wohnung zurück, in der sie aufgewachsen ist.
Ich öffne die Tür und bleibe auf dem Treppenabsatz stehen. Der Wind pfeift uns entgegen.
Ich erinnere mich noch gut daran. Ich war am Boden zerstört, aber April hat dafür gesorgt, dass ich nie wieder so empfinde. Ich wollte nicht springen, doch sie dachte, ich würde es tun. An diesem Tag bestand sie darauf, mir die Haare zu färben, gewissermaßen als Entschuldigung, weil sie sich in mein Leben eingemischt hatte. Als sie fertig war, schob sie mich vor den Spiegel.
»Sieh nur, wie hübsch du bist«, sagte sie.
Ich konnte den Blick kaum von meinem hell gefärbten Haar lösen. Ich erkannte mich selbst nicht wieder.
»Das ist das erste Mal, dass du länger als eine halbe Sekunde in den Spiegel gesehen hast«, sagte sie leise. »Es war das erste Mal, dass du nicht ihn gesehen hast.«
Nun bläst mir der kalte Wind mein unnatürlich helles Haar ins Gesicht.
»Es ist absolut entmutigend, was?« Elliott glaubt, der Anblick der Stadt sei der Grund, weshalb ich so deprimiert bin.
»Entsetzlich.«
»Nachdem die Fabrik zerstört ist, sind die Pläne für die Maskenherstellung sogar noch wichtiger geworden. Je schneller du an die Informationen herankommst, umso schneller können wir mit der Produktion der Masken für die Kinder anfangen.«
Er zieht einen Flachmann aus der Tasche. Der Anblick erinnert mich so sehr an April, dass es schmerzt.
Vielleicht gelingt es uns ja, sie zu finden. Ich muss ihm nur vertrauen. Dann bekommt Henry seine Maske. Und vielleicht kann er den Prinzen entmachten. Aber dafür muss ich meinen Vater verraten – und ich hasse mich für diesen Schritt.
»Ich habe die Entwürfe schon«, sage ich.
»Ehrlich?«
Befriedigt registriere ich seine Verblüffung.
Eigentlich wollte ich die Pläne kopieren, bevor ich sie ihm aushändige. Aber er streckt bereits die Hand aus. Ich ziehe die Pläne aus dem Ärmel und reiche sie ihm, gewissermaßen im Austausch gegen seine Hochachtung.
»Du bist unglaublich«, sagt er und überfliegt die Papiere. Er hält sie voller Ehrfurcht fest, als gebe es nichts Wertvolleres auf der Welt. Zumindest weiß er ihre Bedeutung zu schätzen. »Unglaublich.«
Ich sehe ihm in die Augen. Er nimmt einen Schluck aus der Flasche und reicht sie mir. Die Flüssigkeit brennt in meiner Kehle, aber ich zucke mit keiner Wimper.
»Braves Mädchen.« Seine Bewunderung tut gut. »Du bist ganz anders, als ich dachte.«
Ich bin nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist.
»Ich muss los«, sagt er unvermittelt. »Aber das hier hilft mir enorm.«
»Du musst die Pläne kopieren und mir zurückgeben«, sage ich. »Außer ihnen lag nichts in der Schublade. Vater wird es sofort merken, wenn sie fehlen.«
Elliott nickt. »Natürlich«, sagt er, aber ich glaube, er hört mir nicht einmal zu. Sein Blick schweift über die Stadt. »Im Augenblick sieht es fürchterlich aus«, sagt er, »aber bald wird alles anders sein.«
Die Vorstellung, dazu beigetragen zu haben, dass die Welt zu einem besseren Ort wird, statt mich immer nur vor ihrer Hässlichkeit zu verstecken, gefällt mir. Ich bin zwar nicht sicher, ob Elliott all diese Versprechungen auch halten können wird, aber allein der Gedanke, dass ich es bald erfahren werde, erfüllt mich mit einer Hoffnung, die ich lange Zeit nicht mehr gespürt habe.
A CHT
E lliott begleitet mich zu Penthouse B zurück.
Ruhelos gehe ich in meinem Zimmer auf und ab. Nun, da er fort ist, weicht meine gespannte Erregung plötzlich einer gewissen Verzweiflung. Ich werfe mich aufs Bett und breche in Tränen aus.
Irgendwann nehme ich meinen Schlaftrunk. In dieser Nacht gibt es zwar keine Explosionen, trotzdem schlafe ich nicht gut. Ich erzähle Vater nicht, dass seine Medizin nicht
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